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US actress Lily Gladstone poses with the award for Best Performance by a Female Actor in a Motion Picture - Drama for "Killers of the Flower Moon" in the press room during the 81st annual Golden Globe Awards at The Beverly Hilton hotel in Beverly Hills, California, on January 7, 2024. (Photo by Robyn BECK / AFP)

© AFP/ROBYN BECK

Die Golden Globes geben sich politisch: „Oppenheimer“ als bestes Drama, Lily Gladstone toppt Sandra Hüller

Wie sehen sie aus, die gründlich reformierten Golden Globes? Kommerzieller sind sie, gleichzeitig politischer. Aber die Gala wird als mau kritisiert.

Wer räumt ab bei den ersten wichtigen Preisen der diesjährigen Award Season, Greta Gerwigs rosa Kassenschlager „Barbie“ in der Komödiensparte oder Christopher Nolans Atombomben-Film „Oppenheimer“ bei den Dramen? Und wird Sandra Hüller es schaffen, als erste deutsche Schauspielerin mit einem Golden Globe ausgezeichnet zu werden? Das waren hierzulande die wichtigsten Fragen im Vorfeld der 81. Globes-Gala in der Nacht zum Montag, die als Gradmesser für die Oscars gilt.

Die meisten hatten auf „Barbie“ gewettet, aber der Gewinner des Abends heißt „Oppenheimer“: Fünf Trophäen konnte das Historiendrama über die Erfindung der Atombombe auf sich vereinen, darunter die für das beste Drama, für die Regie, für Cillian Murphy in der Titelrolle und für Robert Downey Jr. als Nebendarsteller.

Und ja, Sandra Hüller kann sich zwar über zwei Globes für Justine Triets Gerichts- und Ehedrama „Anatomie eines Falls“ freuen (in den Sparten Drehbuch und nicht-englischsprachiger Film), den Darstellerinnenpreis hat sie jedoch nicht gewonnen. Dabei waren die Hoffnungen zuletzt noch einmal gestiegen, nachdem die 45-Jährige am Samstag vom US-Verband National Society of Film Critics zur besten Schauspielerin der Saison gewählt worden war: für ihre Rollen als mordverdächtige Schriftstellerin „Anatomie eines Falls“ und als Ehefrau des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß in Jonathan Glazers NS-Drama „The Zone of Interest“. Schon im Dezember hatte der Filmkritiker-Verband LAFCA (Los Angeles Film Critics Association) sie ausgezeichnet, auch bei den Europäischen Filmpreisen hatte sie gesiegt. 

„Oppenheimer“ gewinnt die Top-Globes als bestes Drama: Trophäen für Regisseur Christopher Nolan und Produzentin Emma Thomas.
„Oppenheimer“ gewinnt die Top-Globes als bestes Drama: Trophäen für Regisseur Christopher Nolan und Produzentin Emma Thomas.

© REUTERS/MARIO ANZUONI

Ausgestochen wurde sie bei den Globes jedoch durch eine ebenbürtige Konkurrentin, Lily Gladstone. Mit stillem, souveränem Spott und sich Bahn brechendem Schmerz verkörpert Gladstone in Martin Scorseses Rassismus-Drama „Killers of the Flower Moon“ die Osage-Frau Molly, die einen Weißen heiratet und miterleben muss, wie ihr wohlhabender indigener Stamm von den Weißen ausgerottet wird.

Schon bei der Weltpremiere des Drei-Stunden-Epos in Cannes hatte Gladstone von sich reden gemacht. Ihre Dankesworte bei den Globes begann sie zunächst in der Sprache der Blackfeet-Stammesgruppe, einer der wenigen Höhepunkte in der ansonsten von US-Medien als mau kritisierten Show. Den Preis nannte sie einen historischen Moment für die indigene Community, die lange von der Unterhaltungsindustrie ignoriert und marginalisiert worden sei.

Scorsese erzählt eine wahre, in Amerika lange verdrängte Geschichte: Auch dieses Votum ist, wie die Top-Globes für „Oppenheimer“, ein Indiz für die politischen Vorzeichen der 81. Globes-Preise. Ähnlich sieht es bei den Komödien aus. Dort onnte Gerwigs „Barbie“-Satire als neunfach nominierte Favoritin („Oppenheimer“ hatte acht Nominierungen) zwar die Trophäe in der neuen Blockbuster-Sparte davontragen – kein Wunder bei einem weltweiten Einspielergebnis von mehr als einer Milliarde Dollar. Aber in der Komödie-Sparte unterlag sie Giorgios Lanthimos’ fantastischem Science-Fiction-Märchen „Poor Things“, in Sachen Feminismus und weiblichem Empowerment klar der radikalere, tiefgründigere Film. Dessen wild-virtuose Hauptdarstellerin Emma Stone toppte als Komödien-Darstellerin denn auch Margot Robbie mit ihrer Barbie-Partie.

In der zweiten neuen Kategorie, der für Stand-up Comedy, gewann mit Ricky Gervais ein fünffacher Globes-Moderator. Ist das nun die vielbeschworene Erneuerung der Globes, die in den letzten Jahren wegen mangelnder Vielfalt, Rassismus- und Bestechlichkeitsvorwürfen massiv in die Kritik geraten waren? Die ersten Reaktionen fallen zwiespältig aus. Ungewöhnlich steif sei der erstmals von CBS ausgestrahlte, von Moderator Jo Koy mit flachen Jokes garnierte Abend geraten, heißt es etwa im Fachmagazin „Variety“. Traditionell gelten die Globes im Vergleich zur Oscar-Gala als die lockerere Show, bei dem der Alkohol angeblich in Strömen fließt. Auf Pointen zu Krise und Reform der Globes verzichtete Koy gar vollständig.

Im vergangenen Sommer hatte der bislang für die Verleihung verantwortliche Journalistenverband der Hollywood Forein Press Asscociation (HFPA) sich komplett aufgelöst, die Globes wurden an eine Investorengruppe verkauft. Mit den neuen Sparten Blockbuster und Stand-up möchte sie das Augenmerk offenbar mehr auf die kommerziellen Aspekte der Filmindustrie lenken. Zuvor hatten sich die Globes einer gründlichen Reform unterzogen. 2022 wurden die Gewinner lediglich über die sozialen Medien bekannt gegeben, der Verband erhielt einen neuen Vorstand und erweiterte die Mitgliederschar.

2023 war die Show dann ein letztes Mal vom Sender NBC ausgestrahlt worden. Jetzt stimmen statt der bislang etwa 100 Journalisten gut 300 Jurorinnen und Juroren über die Auszeichnungen ab. Dem Kreis gehören Vertreter aus 76 Ländern an, knapp die Hälfe der Jury besteht aus Frauen. Und der Sender CBS stieg ein.

Popstar Taylor Swift bei der Globes-Gala im Beverly Hilton Hotel.
Popstar Taylor Swift bei der Globes-Gala im Beverly Hilton Hotel.

© REUTERS/MIKE BLAKE

So oder so ging mit den Globes 2024 und Preisen in 27 Kategorien – in der TV-Sparte erhielt das Familiendrama „Succession“ mit den Hauptdarsteller:innen Kieran Culkin und Sarah Snook fünf Globes – die erste wichtige Verleihung in Beverly Hills nach den monatelangen Streiks der US-Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen über die Bühne. Die US-Filmindustrie war empfindlich ausgebremst: Die großen Herbst-Festivals von Venedig und Toronto mussten weitgehend ohne amerikanische Stars auskommen, die sonst im September verliehenen Emmys werden erst dieser Tage verliehen.

Jetzt kehrt der Glamour nach Hollywood zurück: Endlich konnte die Boulevardpresse wieder die Roben auf dem roten Teppich würdigen, sich freudig über Florence Pughs transparentes Valentino-Tüllkleid und Emma Stones raffiniertes „Nude-Kleid“ von Louis Vuitton erregen oder die Stardichte im Saal registrieren, mit Robert De Niro, Leonardo DiCaprio, Nicolas Cage und Pop-Superstar Taylor Swift unter den Nominierten. Die Konzert-Doku über Swift und „The Eras Tour“ ging in der Blockbuster-Kategorie allerdings leer aus.

Und was verraten die Globes dieses Jahr über die Oscars, die am 10. März verliehen werden? Gewiss nichts über den dortigen Ausgang des „Barbenheimer“-Duells oder die Frage, ob Scorseses „Killers of the Flower Moon“ vielleicht den Haupt-Oscar davontragen wird. Auch nichts über die Oscar-Aussichten für Sandra Hüller. Denn bei den Academy Awards stimmen über 10.000 Filmschaffende ab, und sie entscheiden oft anders als bei den Globes. Im letzten Jahr hatten Spielbergs „The Fabelmans“ und „The Banshees of Inisherin“ die goldenen Weltkugeln gewonnen, der Oscar ging dann an die Fantasy-Komödie „Everthing Everywhere All at Once“. Es bleibt spannend: Die Nominierungen werden am 23. Januar bekannt gegeben.

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