zum Hauptinhalt
Tony (Franck Dubosc) schleicht sich, ganz unauffällig, in den Tanzkurs seiner unehelichen Tochter.

© ARNAUD_BORREL

„Die Rumba-Therapie“ im Kino: Misanthrop ohne Taktgefühl

In Frankreich ist der Schauspieler Franck Dubosc ein Star, hierzulande kennt man ihn für seine Komödien. Seine zweite Regiearbeit „Die Rumba-Therapie“ erzählt eine bekannte Vater-Tochter-Geschichte.

Von Kerstin Decker

In Frankreich kennen diesen Schauspieler fast alle, hier wohl nur die wenigsten. Inzwischen hat sich Franck Dubosc auch als Drehbuchautor versucht und legt nun mit „Rumba la vie“ – was doch um einiges schöner und offener klingt als der deutsche Verleihtitel „Die Rumba-Therapie“ – seinen zweiten Spielfilm vor. Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller: Franck Dubosc. Sein Debüt handelte von einem Mann, der sich in den Rollstuhl setzt, um die Aufmerksamkeit, das Mitgefühl und die Fürsorge einer Frau zu provozieren. Was für eine Idee!

Schulbusfahren als Erfüllung

Schulbusfahrer Tony hat garantiert schon lange keine Frau mehr angesprochen. Er träumte als Junge von Amerika und hat auf seine Art nie damit aufgehört, man könnte das auch Regression nennen. Er trägt noch immer die Cowboystiefel von früher und schaut amerikanische Serien. Und er lässt die Kinder an seiner Amerikaliebe teilhaben, indem er ihnen jeden Morgen im Bus Englischunterricht gibt. „Fuck you!“, brüllen alle ihm nach, und Tony übersetzt kindgerecht: „Ich pfeif drauf!“ Da hat sich schon viel Vokabular angesammelt. Dazu hören wir Cat Stevens, das ist durchaus ein schöner Beginn für eine Vater-und-Tochter-Geschichte, die es noch längst nicht ist.

Dieser Tony mag nicht viel erreicht haben in seinem Leben, bis nach Amerika hat er es nie geschafft. Und nicht jeder wird das Amt eines Schulbusfahrers als befriedigenden beruflichen Aufstieg bezeichnen. Aber so, wie Dubosc’ Tony jeden seiner Schützlinge mit obligatorischem Faust-an-Faust-Gruß in den Schultag entlässt, ist klar: Dieser Mann mag, was er macht. Dabei kennt er seine Rolle im Leben genau: Er ist der, den man von hinten sieht. Und wird es wohl bleiben. Franck Dubosc gibt dem, den man nur von hinten sieht, eine stille Würde. Er ist ein Typ der kurzen Worte, viril und unauffällig zugleich, durchaus mit sensitiver Begabung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Warum auch müssen ältere Männer im Kino, wenn sie einen absehbar letzten Aufbruch ins Leben vor sich haben, diesen Weg immer als ausgemachte Misanthropen und Menschenfeinde beginnen? Obwohl Jack Nicholson in „About Schmidt“ natürlich unerreicht ist und auch Tom Hanks zuletzt mit „Ein Mann namens Otto“ in diesem Grumpy-Old-Man-Genre erfolgreich war.

Trotzdem schön, dass es auch anders geht. Allerdings liegt Tony nur allzu bald Michel Houellebecq gegenüber, oder anders: Houellebecq, der frühere Student der École nationale supérieure Louis Lumière, den mit dem Kino eine lebenslange große unerfüllte Liebe verbindet, steht ganz im Ärzte-Weiß vor dem Bett des Herzinfarktpatienten Tony.

Doktor Houellebecq gibt Lebensratschläge

Welch feine Ironie, ausgerechnet den Diagnostiker der tendenziellen Unmöglichkeit haltbarer menschlicher Beziehungen als Apostel der gegenteiligen Botschaft einzusetzen. Nein, da ist niemand, der im Ernstfall zu benachrichtigen wäre, gesteht Tony. Einfach ins Grab legen, das sei genug. Doktor Houellebecq: „Ihr Grab? Auch das muss jemand in Auftrag geben!“ Und er rate seinem Patienten neben regelmäßiger Bewegung, gesunder sexueller Aktivität doch dringend zu einer Begleitung, am besten lebenslang: „Allein sind wir nichts.“

Michel Houellebecq verschreibt dem Patienten regelmäßige Bewegung und sexuelle Aktivitäten.
Michel Houellebecq verschreibt dem Patienten regelmäßige Bewegung und sexuelle Aktivitäten.

© ARNAUD_BORREL

Das alles dient natürlich dazu, endlich die Haupthandlung in Gang zu bringen: Doch, da war mal jemand in Tonys Leben, aber er hatte die schwangere Partnerin noch vor der Geburt des Kindes verlassen. Keine Experimente! Das sieht er jetzt anders. Beinahe wäre er gestorben, ohne sein Kind zu kennen. Er hat eine Tochter, sie ist Tanzlehrerin in Paris. Für den Anfang beschließt er, ihr Schüler zu werden. Es hilft nichts, er muss tanzen lernen. Um es gleich zu sagen: Dubosc kann es, und wie.

Eine Komödie? Ja, natürlich, das auch, aber eine der verhaltenen Art, auch wenn ihre Pointen vielleicht eine Spur zu absehbar, zu kalkuliert wirken, als dass man sich ganz in diesen Film fallen lassen möchte. Obwohl ebendiese Pointen dann nie auf simple Weise eintreffen, woran Kamera und Schnitt durchaus Anteil haben.

Wunderbar Marie-Philomène Nga als alleinerziehende afrikanische Nachbarin Fanny, an die sich Tony zuerst wendet, in der Annahme, Afrikanerinnen könnten von Geburt an tanzen, bei ihr könne er was lernen. Und wieder ist da so ein feines Unterlaufen unserer Erwartung, als wir erkennen, dass das Tanzenlernen auch für die Geschichtslehrerin Fanny eine Befreiung ist: zu viel Gedanken, zu viel Historie, zu wenig Bewegung.

Und dann die ersten Vater-Tochter-Schritte. Zuerst müsse er seine Cowboystiefel ausziehen, fordert die Kursleiterin. Louna Espinosa gibt als Maria souverän den Takt vor, den des Tanzes und später den der Annäherung. Natürlich treten sich beide schmerzhaft auf die Füße, aber sie können auch anders.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false