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Ein noch glückliches Paar: Jim Parsons als Michael Ausiello und Ben Aldridge als Kit Cowan in Michael Showalter’s Film „Spoiler Alert“.

© Giovanni Rufino/Verleih

Die romantische Tragödie „Spoiler Alert“ im Kino: Alles darf verraten werden

Michael Showalter erzählt in seinem neuen Film vom Glück und Unglück eines schwulen Ehepaars.

Es darf gleich verraten werden: Die Geschichte endet mit dem Tod eines Helden. „Spoiler Alert: The Hero Dies“, so heißt die literarische Vorlage von 2017, ein Bestseller. Der erzählt von dem Fernsehkritiker Michael Ausiello und seiner dreizehn Jahre währenden Beziehung und auch Ehe mit dem Fotografen Kit Cowan. Sie endet mit Cowans frühem Tod an einer seltenen Krebsart.

Was hier nach erzählerischem Tabubruch klingt, hat mehr mit der Fixierung des Stoffs auf klassisches Storytelling zu tun, als dass hier tatsächlich unsere Sehgewohnheiten herausgefordert würden: Filme nach wahren Gegebenheiten bauen in der Regel keine Spannung über den Ausgang auf. Und romantische Komödien schaut man auch immer im Wissen, dass das Paar am Ende zusammenkommt. Der Spoiler hält sich also in beiden Fällen in Grenzen.

Der Tod und das Zusammenkommen sind im ersten Bild von „Spoiler Alarm“ angelegt: Michael (Jim Parsons) umarmt im Krankenbett seinen sterbenden Ehemann (Ben Aldridge). Michaels Stimme kommentiert das aus dem Off, enthüllt den Spoiler und springt an den Anfang, das Kennenlernen.

Ein Akt erzählerischer Souveränität, die klare Stimme über den verstörenden Bildern, die Gewissheit, dass der Tod bereits verarbeitet ist und der Überlebende einen Punkt gefunden hat, von dem aus er die Geschichte erzählen kann. Romantic Tragedy. Das ist berührend und beruhigend zugleich.

Das Fernsehen als Fluchtpunkt

Ausiello, gespielt von Jim Parsons als verklemmt-neurotischer Intellektueller, der in der Beziehung zum kiffenden Künstler erwachsen wird, hat sowohl eine berufliche wie autobiografische Faszination für das klassische Erzählen in Bildern. Seine Kindheit taucht in kurzen Rückblenden auf, die wie aus einer billigen Sitcom aus den achtziger Jahren aussehen – inklusive Lacher vom Band und dramatische Zooms auf die konfliktgezeichneten Gesichter.

Das übergewichtige Kind, die verwitwete alleinerziehende Mutter, die ebenfalls an Krebs sterben wird, der gehässige Bruder, die Flucht in den TV-Konsum: US-amerikanisches weißes Mittelklasse-Drama als TV-im-TV-im-Film. Das Fernsehen ist Fluchtpunkt und Formgeber zugleich, nichts kann so schiefgehen, dass es nicht als Unterhaltungsstoff funktionieren würde.

Genau so funktioniert „Spoiler Alarm“. Die klischeefrei erzählte schwule Liebesgeschichte dosiert ihre kleinen Glücks- und Katastrophenmomente perfekt: das ungleiche Paar, das aneinander Wachsen, das beginnende Misstrauen, das Unglück unter der strahlenden Oberfläche.

Ausiello wird lockerer, trinkt statt Diät-Cola auch mal Rotwein, fängt am Ende sogar an zu kiffen, verkleinert seine Schlumpf-Sammlung. Dahin gegen bringt Kit, der unangepasste Künstler, endlich den Mut auf, sich gegenüber seinen Eltern (Sally Field und Bill Irwin) zu outen.

Auch wenn wenig an spezifisch schwuler Lebensrealität, für die die Drehbuchautoren Dan Savage und David Marshall Grant eigentlich ausgewiesene Fachkärfte sind, in der funktionalen Inszenierung des Routiniers Michael Showalter („The Big Sick“) übrigbleibt, so werden all diese allzu menschlichen Momente allein dadurch kostbar, weil sie vom gespoilerten Ende des Films aus erzählt und quasi gegen den Tod gesetzt werden.

Trost der geschlossenen Form: So ganz mag man da vielleicht nicht mitgehen, jedes Trauma, jeden Verlust, jeden Schicksalsschlag letztlich als Stoff zu sehen, der in einer SitCom, RomCom oder RomTrag aufgehen kann. Wahrscheinlich werden viele, die die Spoiler „schwul“ und „Krebstod“ lesen werden, eher keine Kinokarte kaufen und deshalb einen schönen Film verpassen. Aber „Spoiler Alarm“ glaubt unbedingt, mit Haut und Haaren, mit jeder Kamerafahrt und jedem Schnitt, an den heilenden Zauber des Happy Ends. Spoiler Alarm: Im tatsächlich letzten Bild des Films fährt der Held zum Flughafen. Sein Ziel: Hollywood.

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