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„mé el aïn“ ist ein Film der tuneisch-kanadischen Regisseurin Meryam Joobeur.

© mé el aïn

Drama „Mé el Aïn“ bei der Berlinale: Wie weit geht Mutterliebe?

Die Regisseurin Meryam Joobeur erzählt in ihrem Langfilmdebüt von einer tunesischen Familie, die zu zerbrechen droht.

„Ist es in Ordnung, wenn ich sie trotzdem noch lieb habe?“, fragt Adam (Rayen Mechergui), der jüngste Sohn der ärmlichen Bauernfamilie aus einem abgelegenen Dorf im Norden Tunesiens. Seine beiden älteren Brüder Mehdi (Malek Mechergui) und Amine (Chaker Mechergui) sind vor ein paar Monaten von zu Hause abgehauen.

Obwohl kaum gewagt wird, darüber zu sprechen, liegt auf der Hand, warum die beiden jungen Männer fortgegangen sind: Sie haben sich einer islamistischen Terrororganisation angeschlossen.

Dass das falsch ist, weiß Adam; und das nicht nur, weil sein Vater Brahim (Mohamed Hassine Grayaa) mit tiefer Enttäuschung über seine vom Weg abgekommenen Söhne kämpft. Der Jüngste, dessen unverfrorene Art das sonst recht schwermütige Dama „Mé el Aïn“ immer wieder auflockert, vermisst seine Brüder trotzdem.

Adam, aufgewachsen mit zwei älteren Brüdern, ist plötzlich allein mit seinen Eltern auf dem Bauernhof.

© mé el aïn

Es ist das Langfilmdebüt der tunesisch-kanadischen Regisseurin Meryam Joobeur, die für ihrem oscarnominierten Kurzfilm „Brotherhood“ von 2018 mehrfach ausgezeichnet wurde. Dort thematisierte Konflikte greift sie nun wieder auf, erzählt diesmal aber aus weiblicher Perspektive: Die Gefühlswelt von Aïcha (Salha Nasraoui), die Mutter von Mehdi, Amine und Adam, bildet den Kern des Films.

Regisseurin Meryam Joobeur wurde bekannt durch „Boyhood“. In ihrem Langfilmdebüt geht es um „Motherhood“.

© Simone Sapia

Überraschende Wendungen und ein rätselhaftes Ende

Er führt so tief in die inneren Kämpfe, Zweifel und Ängste der sich aufopfernden, leidenden und doch resilienten Frau, dass man sich fragt, warum Joobeur den Arbeitstitel „Motherhood“ nicht beibehalten hat – passend wäre er in jedem Fall.

Aïcha, die eine Gabe für prophetische Träume hat und immer nur für ihre Kinder gelebt hat, nimmt Mehdi wieder zu Hause auf, als er plötzlich mit einer schwangeren Frau namens Reem (Dea Liane) zurückkehrt. Gegen das Misstrauen ihres Mannes vertraut sie auf das Gute in ihrem Sohn und schwört, ihn und seine neue Partnerin mit aller Kraft zu beschützen; auch als sich seit Mehdis Heimkehr seltsame Ereignisse im Dorf häufen.

Sie bleibt bei dieser Haltung – selbst als die Frage, die wie eine erdrückende Last über dem Film schwebt, auch in ihrem Kopf immer lauter wird: Was ist mit ihrem dritten Sohn, Amine, passiert?

Mutter Aïcha (rechts) hat sehr mit dem Verschwinden ihrer beiden Söhne zu kämpfen.

© mé el aïn

„Mé el Aïn“ nimmt wiederholt überraschende Wendungen und lebt neben der berührenden Thematik, der interessanten Kameraführung – in Aïchas Träumen wird sie besonders experimentell – vor allem von der großartigen Performance der Schauspielerinnen und Schauspieler.

Während man die Hauptfigur an die Grenzen ihrer mütterlichen Liebe begleitet, verweben sich die teils gegensätzlichen und metaphorischen Erzählstränge zu einem Ende, das Ratlosigkeit erzeugt und mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt.

Meryam Joobeurs Debüt ist definitiv kein Werk, das nach dem Kinobesuch sofort verblasst, sondern eines, dessen Figuren und Bilder mit nach Hause genommen werden.

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