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Die polnische Regisseurin Magda Szpecht bei ihrer Performance „Cyber Elf“.

© Maurycy Stankiewicz

Eine Elfen-Armee gegen russische Trolle: Die Kriegerin

Die polnische Theaterregisseurin Magda Szpecht zeigt in ihrer Lecture-Performance „Cyber Elf“ beim Berliner Theatertreffen, wie sie im Internet gegen russische Propaganda vorgeht.

Eine Kolumne von Christiane Peitz

Magda Szpecht ist eine zierliche Frau. Zarte Statur, feine Stimme, Kriegerinnen sehen anders aus, denkt man zuerst. Aber da sind diese spitzen Ohren, Plastik-Vampirohren, Elfenohren. Die polnische Regisseurin trägt sie bei ihrer Lecture-Performance „Cyber Elf“, vor ein paar Tagen auf dem Kultursymposium Weimar und jetzt beim Berliner Theatertreffen. Als Regisseurin war sie bisher immer im Hintergrund tätig, stand nicht selbst auf der Bühne. Diesmal, sagt sie, war das anders. Sie musste aus der Deckung, als Elfe im Kampf gegen russische Trolle. Schuld ist Putins Ukraine-Krieg.

Im Frühjahr 2022 hatte sie in Warschau zunächst alle Hände voll zu tun. Sie half Geflüchteten, Unterkünfte zu finden, hielt Kontakt zu Freunden und Kolleginnen in ukrainischen Kriegsgebieten. Gleichzeitig checkte sie rund um die Uhr die Nachrichten, fand Videobeweise von russischen Kriegsverbrechen, folgte dem Telegram-Channel „Mariupol Now“, einer Chronik der Zerstörung der Stadt, glich Handyaufnahmen ab und entdeckte immer mehr russische Fake News. Magda Szpecht wurde zur Detektivin, sie fahndet, dokumentiert, teilt ihre Erkenntnisse über ihre Accounts.

In „Cyber Elf“ sitzt sie an den Reglern, führt detailliert und mit leiser Ironie vor, wie man Fälschungen enttarnt. Hinter den russischen Fake News mit „Beweisen“ für angebliche ukrainische Nazis stecken mächtige Geheimdienstapparate. Die Lügenbilder sind dennoch oft von groteskem Dilettantismus geprägt. Was nicht heißt, dass viele russische Bürger:innen ihnen nicht trotzdem glauben.

Inzwischen hat Magda Szpecht einen aus der Ukraine geflüchteten Hund aufgenommen. Wenn der Burnout droht, die Überforderung und Traumatisierung durch die Schreckensbilder aus Butscha oder Mariupol, geht sie mit ihm spazieren. Bis heute vergisst sie manchmal zu essen, zu trinken, zu schlafen. „Ich fühle mich dann wie eine 80-jährige Frau. Ein derart naher Krieg ist neu für meine Generation, auch emotional“, erzählt sie in Weimar.

Und dass sie sich immer wieder fragt, was gezeigt werden soll, gezeigt werden muss. Leichen auf einem Zeitschriften-Cover? Wann wird Kriegsberichterstattung zum Gewaltporno, wann viktimisieren die Bilder die Opfer ein zweites Mal und erklären sie zu Objekten? Wie lässt sich die Authentizität solcher Opferbilder nachweisen, damit sie nicht ihrerseits als Fake abgetan werden? Wann wenden die Menschen sich ab?

Aber es geht nicht anders, sie muss hinschauen, sehr genau. Spätestens dann, wenn Menschen sich melden, die ihr Haus auf den Bildern entdeckt haben und von Magda Szpecht wissen wollen, ob es noch steht. Oder wenn sie glauben, auf einem heimlich entstandenen Foto von russischen Kriegsgefangenen den Bruder, den Ehemann auszumachen.      

Ein Satz großer Ohren, eine Guerillatruppe gegen Putins Armee: Es kann nicht genug solcher Elfen geben.
Christiane Peitz schreibt hier alle zwei Wochen über Menschenrechte und Freiheitskämpfer:innen.

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