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Am Stand der Berliner Galerie „Lage egal“ mit Arbeiten von Marianna  Ignataki.

© Natalia Carstens

Entfaltet: Eine Messe, die Papierkunst leuchten lässt

Die siebte Ausgabe der Paper Positions Berlin mit 57 internationalen Galerien demonstriert die künstlerische Bandbreite des Mediums.

Schwarze Sonnenstrahlen auf weißem Papier. Es ereignet sich das, was eben passiert, wenn man dem Himmelskörper zu nahe kommt – alles Stoffliche verbrennt. Monika Goetz‘ raumgreifendes „Burnt“ ist eine der beeindruckendsten Arbeiten der Messe Paper Positions. Zwei fünf Meter lange, schlichte Bahnen aus weißem Papier ziehen sich über den gesamten Stand der Galerie Schwarz Contemporary. Die international ausgezeichnete Künstlerin, die gerne mit dem Feuer spielt, brennt die stilisierten Strahlen via Lasertechnik auf und in den Werkstoff. Energiezufuhr und Bewegungsgeschwindigkeit bestimmen die haptischen Qualitäten und die Farbnuancierungen, feine Linien wechseln mit rissigen Partien, plane Flächigkeit mit Wölbungen. Was der Gesamtkomposition eine faszinierende Spannung verleiht (8800 Euro).

Es gibt einen Preis für den besten Messestand

Eigentlich eine Kandidatin für den Leue & Nill Award, der eine herausragende Galeriepräsentation prämiert. Die Finanzspritze (50 Prozent der Standmiete) geht heuer an den Berliner Kunsthändler Malte Uekermann, der bei der Preisverleihung konzedierte, dass der Künstler Jens Hanke für die Gestaltung verantwortlich zeichnet und der Preis somit ihm gebühre.

Durch wilde vegetabile Strukturen lässt der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig ausgebildete Maler und Grafiker den Wind peitschen. Untermauert werden die expressiven Formationen aus Kohle von einem Morsealphabet mit T.S. Eliot-Zitaten, das in einer blütenartigen Farbpartie endet. Den stilistischen Gegenpol bilden Hankes Konstruktionszeichnungen, die an konkrete Dinge erinnern, diese aber im reizvoll Möglichen lassen (5500/2400 Euro).

Die Auszeichnung hätte auch der installativen Gestaltung bei Semjon Contemporary gut zu Gesicht gestanden. Ursula Sax hat den Stand in ein Gesamtkunstwerk verwandelt. Wozu den Messeauftritt mit verkäuflichen Kleinformaten bestücken, wenn die Bildhauerin, die in Kürze ihren 88. Geburtstag feiert, künstlerische Konzepte verwirklichen will. Die Fotografie einer überdimensionalen Faltung hat Sax vervielfältigt, auf Tapete drucken lassen und den kompletten Stand tapeziert. Der ornamentale Overflow wird von zwei großformatigen Plastiken (je 16000 Euro) aus gelb und blau bemaltem Packpapier aus DDR-Beständen ergänzt, die das Volumen im Raum betonen.

Die Highlights der Berliner Messe für Papierkunst

Der Bildhauerin Ursula Sax widmet die Galerie Semjon Contemporary ihren Stand.
Der Bildhauerin Ursula Sax widmet die Galerie Semjon Contemporary ihren Stand.

© Paper Positions / Natalia Carstens

Am Eröffnungsabend ist Ursula Sax dann doch noch mit dem verdienten Preis bedacht worden: mit dem Paper Art Award in Gold für das Lebenswerk der „Grande Dame der skulpturalen Papierkunst“, so Annette Berr, Gründerin und Direktorin des „Haus des Papiers“ in ihrer Laudatio, die auch Sax’ Vorreiterrolle für Frauen in der Kunst hervorhob. Mit den insgesamt 36000 Euro Preisgeld werden alljährlich Ankäufe für das Museum realisiert. Silber geht an die Südkoreanerin Gisoo Kim (Mianki, Berlin) und den Spanier Amparo Sard (Anita Beckers, Frankfurt/Main), Bronze an Brian Dettmer (USA) und Ken‘ichiro Taniguchi (Japan), Künstler der Hamburger Galerien Commeter sowie Mikiko Sato.

Highlights der siebenten Ausgabe der Paper Positions, die mit insgesamt 56 Aussteller:innen aus zwölf Ländern – darunter Anna Laudel aus der Türkei, die O Gallery aus dem Iran oder die japanische Cave-Ayumigallery – und ihrer übersichtlichen Salonatmosphäre in den Kosmos des Mediums eintauchen lässt.

Holzschnitte von Franz Marc bietet Thole Rotermund aus Hamburg, deren erschwingliche Preise um 3400 Euro dem autorisierten Nachdruck zu verdanken sind. Neben Grafiken und einer aquarellierten Postkarte von Lyonel Feininger (19500 Euro) punkten George Grosz’ 1921 mit Tuschfeder gezeichnete „Emigranten in Berlin“ (64000 Euro), die angesichts der politischen Entwicklung in Russland eine frappierende Aktualität bekommen – raunen sie doch tief versunken: „Gott segne den Zaren“.

„Malende Frauen“ der Klassischen Moderne hat Dr. Nöth Kunsthandel im Programm. Darunter Lotte Laserstein, Paula Modersohn-Becker sowie Tamara de Lempickas mit subtil verwischtem Bleistift gezeichnetes „Portrait einer jungen Frau“ (78000 Euro).

Der dritte auf Klassiker spezialisierte Aussteller ist Kunkel Fine Art aus München, mit Kunst aus dem Berlin der Weimarer Republik. Eine entzückende „Ménage à trois“ (65000 Euro) der Karikaturistin und Zeichnerin Dodo ragt heraus aus einem Angebot, das etwas unpassend von zeitgenössischen Fotografien flankiert wird.

Die Bandbreite des Materials in der zeitgenössischen Kunst, die einmal mehr den Messeschwerpunkt bildet, reicht von Ulrike Königshofers „Graphs“ (Reinthaler, Wien) – bei denen die Sonne Linien auf mit der Lochkamera belichtetes Fotopapier zeichnet – über die dreidimensionalen, hauchfeinen Verästelungen Kathrin von Lehmanns (Kang Contemporary, Berlin) und Bodo Korsigs Schattenspielen bei Māksla XO aus Riga bis zu Hans Schimanskys abstrakten Zeichnungen bei Inga Kondeyne oder traditioneller Malerei wie Aneta Kajzers zwischen Comic- und Traumwesen charmant schillernde Serie der „Nachtgestalten“, die die 1989 in Polen geborene Malerin mit Ölfarben auf handgeschöpftem Papier fertigt (12000 Euro, Galerie Conrads).Michaela Nolte

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