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Kultur: Es gibt kein Vergessen

Der Finne Joel Haahtela hat „Sehnsucht nach Elena“

Irgendwas stimmt mit diesem Mann nicht. Er treibt sich auf den Straßen und in den Parks herum, er arbeitet nicht, er wohnt allein und scheint keinerlei Kontakte zu haben. Und vor allem: Er stellt täglich einer jungen Frau nach, ohne sie anzusprechen. „Sie nimmt mich kaum wahr, obwohl der Park zu dieser Morgenstunde menschenleer ist. (...) Ihr Lächeln gefällt mir, obwohl es mich auch verstört. Es steht zwischen uns, vergrößert die Entfernung.“

Die Stimmung in den ersten Kapiteln von Joel Haahtelas Roman „Sehnsucht nach Elena“ ist eine bedrohliche, ungute, eigenartig entrückte. Ist der Erzähler ein Stalker? Passiert hier bald ein Mord? Oder eine Vergewaltigung? Erzeugt wird diese Stimmung nicht zuletzt dadurch, dass Haahtela kurze, einfache Sätze schreibt und konsequent im Präsens erzählt. Zudem erstrecken sich die einzelnen Kapitel nie mehr als über zwei Seiten. Das ist genauso schmucklos wie nervenaufreibend. Was soll das Ganze, fragt man sich, dieser Sound, diese verhangene Atmosphäre? Was bezweckt der 1972 in Helsinki geborene und im Erstberuf als Psychiater tätige Haahtela mit dieser Wahl seiner Mittel? Der Erzähler erfährt, dass die von ihm beobachtete Frau Elena heißt. Er bekommt Besuch von einem Freund, immerhin. Und er ist eines Tages ganz aufgeschmissen, als Elena ihm nicht mehr begegnet. Er erfährt, dass sie einen Ferienjob auf einer Insel hat, wo auch sein Freund in einem großen Haus lebt. Er nimmt dessen Einladung auf die Insel an. Auch hier stellt er Elena nach, auch hier weiß man als Leser noch nicht so recht, woran man ist. Erst als er zurückkehrt, als er eines Tages bemerkt, heute Geburtstag zu haben, löst sich manches Rätsel: „Ich werde 81 Jahre alt.“

Elena verkörpert für den alten Mann die Erinnerung an seine verstorbene Frau, als diese jung war, an ihre gemeinsame große Liebe. „Alles in der Welt verschwindet, doch nichts wird je vergessen“, weiß er schließlich: „Deswegen bin ich voller Hoffnung.“ Er lernt Elena kennen, verliert sie wieder aus den Augen. Am Ende freut man sich darüber, einen genauso schönen wie merkwürdigen kleinen Liebes- und Erinnerungsroman gelesen zu haben. Und diesen möchte man dann man am liebsten noch einmal von vorn beginnen, da die Ausgangslage eine ganz neue ist. Gerrit Bartels

Joel Haahtela: Sehnsucht nach Elena.

Roman. Aus dem Finnischen von Sandra Doyen. Piper Verlag, München 2010.

152 Seiten, 16 €.

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