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Brad Henkel

© Daniela Imhoff / Brad Henkel Promo

Folge 182 „Wochniks Wochenende“: Zeitdehnungen

Wie jedes Jahr, geht auch dieses etwa Mitte Januar wieder in die Vollen – demnächst mit ctm, Ultraschall, Transmediale. Die Ruhe vor dem Sturm ist schon dieses Wochenende nicht.

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

Nach der Jahresendpause kommt es immer dick: Ultraschall, Transmediale, ctm, etc. Ja, wer soll denn das alles... Sie kennen doch sicher das Gefühl, nach dem Urlaub erstmal Urlaub vom Urlaub zu brauchen. Bevor man wieder so richtig in die Vollen geht. Das ist bei mir auch schon wieder knapp drei Wochen her. Vielleicht ja, weil es diesen Urlaub vom Urlaub nie gab, bin ich trotzdem noch nicht so weit, abzuwägen, ob ich nun hier oder da hingehe, bei jeder Entscheidung pro zugleich auch eine gegen zu treffen.

Samstagabend veranstaltet die ctm ein „Vorspiel“, wie es heißt, im Collegium Hungaricum. Elektronische Musikexperimente von Swansa, Ábris Gryllus & Thea Soti mit Jessica Simet und zum Schluss ein AV-Set von Márk Bartha & Makró VJ. Wer kennt sie nicht? Die Hauptacts – Ben Frost, Anna von Hausswolff u. a. – kommen erst später. Klar, so ein „Vorspiel“ ist ein bisschen wie eine Ausstellungseröffnung – man sieht sich, erspürt schon mal den generellen Vibe, hört, wohin die Gespräche dieses Jahr gehen. Die Kunst nimmt man nur am Rande wahr.

Anders beim Ultraschall Festival: Das läuft bereits seit Mittwoch, endet Sonntagabend: André de Ridder dirigiert das DSO mit Werken von Lisa Streich, Unsuk Chin und Mark Andre im Haus des Rundfunks. Davor, Sonntagmittag, 14 Uhr, führt das Ensemble Apparat Werke von Ragnhild May und Joanna Bailie urauf, gerahmt von Enno Poppe und Jorge E. López (Radialsystem). Den halben Sonnabend können Sie getrost im Radialsystem verbringen: Um 16 Uhr lernen Sie mit Jean Barraqué einen bedeutenden französischen Serialisten kennen, der zeitlebens wahrscheinlich zu vielen zu berühmten Personen zu nahe stand, um heute nicht in deren Schatten zu stehen. Zu Unrecht, will uns das Festival beweisen.

Mit völlig anderer Klangsprache folgt um 18 Uhr das Ensemble Radar mit einer Uraufführung des Grenzgängers Gordon Kampe, der längst nicht alle seine musikalischen Ideen nur in Partiturform gießt, sondern auch Feldaufnahmen bearbeitet und den Computer nicht nur zur Buchhaltung gebraucht. Die MAM.manufaktur führt acht kurze Stücke von Michael Maierhoff urauf – neben selten zu hörenden Werken von Georgia Koumará, Karen Keyhani und Sarah Nemtsov. Ricardo Eiziriks Adolescência – ebenfalls in Uraufführung – beendet den Tag.

Nun ist jedes Für aber doch auch ein Gegen, und so würde man in diesem Fall nicht ins Panda Platforma (in der Kulturbrauerei) gehen, um das Trio von Vibraphonistin und Jazzpreis-Gewinnerin Taiko Saito mit Jan Roder (Bass) und Michael Griener (Schlagzeug) zu erleben.

Will man die Arbeit des oben genannten Gordon Kampe besser kennenlernen, stößt man schnell auf das Ensemble Lux:NM – dessen Co-Gründerin, aber auch Akkordeon- und Synthesizer-Solistin Silke Lange spielt ebenfalls im Panda, wie der nebengeräuschfreudige Brad Henkel (Trompete) mit Antti Virtaranta (Bass), Sofia Borges (Schlagzeug) und Mia Dyberg (Saxofon). Und zwar bei derselben Veranstaltung, 20 Uhr. Dyberg hat übrigens neulich erst eine fantastische Trio-Platte herausgebracht: „Timestretch“ heißt die, also Zeitdehnung. Ließe sich diese Idee bitte irgendwie umsetzen? Das Wochenende dehnen, bis alles hineinpasst, was man sonst noch so braucht? Essen und Trinken vielleicht? Im Park spazieren und Weißtöne des Schnees vergleichen? Es ist schon echt hart in der Großstadt, die einem alles bietet.

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