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Public DomainFile:The Shangri-Las - Promotional photo.pngCreated: 1965Uploaded: 2 February 2024

© Public Domain/Gemeinfrei/Bruno Bernard aka "Bruno of Hollywood"

Folge 187 „Wochniks Wochenende“: Du, badu badu badu, badu badu baduuu baaa duuu

Während der Clip auf TikTok, Insta und Co. teils zu ungeahnten künstlerischen Hochformen aufläuft, wird die Musik dazu oft einfach nur geklaut – und massenhaft zerschlissen. Das müsste doch auch anders gehen, meint unser Kolumnist.

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

Was denken Sie beim Lesen der Zeile du, badu badu badu, badu badu baduuu baaa duuu? Sagt Ihnen die Zeile gar nichts, umso besser. Das ist nur ein Zeichen Ihres gesunden Umgangs mit Social Media. Schnellt Ihnen aber – wie mir und mutmaßlich über 20 Millionen Menschen in Deutschland – eine nervig hoch intonierte, wie von einem Hamster gesungene Melodie mit Ohrwurmcharakter in den Sinn und laufen Bilder tolpatschiger Haustiere oder ungeschickter Mitmenschen vor Ihrem inneren Auge ab, sollten Sie vielleicht erwägen, Ihre TikTok, Insta- oder was-auch-immer-Media-Zeit zu begrenzen.

Die Worte „Remember, walking in the Sand“ sind entsprechend nicht nur ein schön sommerlich nostalgisches Gegenbild zu dieser Bildschirmzeit, sondern ein weiteres Beispiel für die Einfallslosigkeit vieler sich selbst als Content-Producer verstehender Clipmacher:innen. Der von der Proto-Girlband The Shangri-Las 1964 eingesungene Titel war nicht nur mir über viele Jahre als Soundtrack einiger besonderer Momente sehr lieb. Bis vor kurzem zumindest.

„Remember (Walking in the Sand)“, wie es eigentlich heißt, ist von irgendwem, vielleicht um Verwertungsrechtsprobleme zu umgehen, beschleunigt abgespielt, entsprechend in die Tonlage „Wüstenrennmaus“ hoch transponiert und auf seinen eingängigsten Teil zurechtgestutzt, irgendeinem lustigen Katzenbabyclip unterlegt worden – und breitete sich dann in eben dieser Form inflationär über die gesamte Welt aus.

Songs, wie der generische Funny Song (du, badu badu badu...), Walking in the Sand und einige mehr sind heute bis zur Unerträglichkeit zerschlissen – selbst, wenn man sie im Original hört. Viele werden sagen, man müsse sich das ja nicht antun, könne das ganze Social Media Gedöns einfach links liegen lassen. Damit ließe man aber auch einen der wesentlichen Orte liegen, an dem Gegenwartskultur, zumal die jüngerer Menschen, sich ereignet, an dem sich jetzt schon Trends abzeichnen, die vielleicht erst in Jahren breite Massen erreichen werden. Ignoranz wäre für uns Kulturjournalisten also schon aus beruflichen Gründen fragwürdig.

Daher: Muss das denn sein, liebe Content-Producer? Klar, Klau und Zweckentfremdung von Inhalten gehörte von Anfang an zur Kunstform Clip dazu. Man kann es, je nach Umsetzung, auch Collage oder Cut Up nennen und was von post-postmodernen Ästhetiken schwafeln. Man kann aber stattdessen auch schlicht bessere Lösungen finden.

Etwa mithilfe von frei verfügbaren Apps, die nach Zufallsprinzipien generische Stimmungsmusik erzeugen (mehr bleibt von den Originalen ja auch nicht übrig). Oder durch Mut zur Stille. Oder, ganz verwegen, man holt sich echte Inspiration für Musik, die man am Ende selber macht, die womöglich sogar eine konzeptionelle Beziehung zum Inhalt entwickelt. Zum Beispiel im Kleinen Wasserspeicher Prenzlauer Berg, wo an beiden Wochenendabenden, je 20 Uhr, Musik (Kriton Beyer am Daxophon) mit Licht (Teo Vlad) und Bewegtbild (Butoh-Tanz von Yuko Kaseki) zusammenspielt. Ein bisschen wie in einem Clip also.

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