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Die US-amerikanische Schriftstellerin Fran Lebowitz

© dpa/Carsten Koall

Fran Lebowitz in Berlin: Nicht für Lebensweisheiten zuständig

Die New Yorker Kolumnistin ist dank Netflix über die USA hinaus als meinungsstarkes Lästermaul bekannt geworden. Diese Rolle spielt die 72-Jährige auch bei ihrem Berlin-Debüt.

Von Andreas Busche

Als Bewohner einer hochgradig dysfunktionalen Stadt würde man zu gerne wissen, wie die Stadtschreiberin Fran Lebowitz wohl Berlin wahrnehmen würde. Die meinungsfreudige Kolumnistin hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren einen Namen gemacht als Chronistin ihrer Heimatstadt New York, der sie stets in leidenschaftlicher Hassliebe verbunden geblieben ist. Was bei Lebowitz bedeutet, dass sie alles liebt, was man an New York durchaus hassenswert finden kann. Ein Gefühl, das Berliner:innen gut kennen.

Am Freitag ergab sich die seltene Gelegenheit, Fran Lebowitz einmal außerhalb ihres natürlichen Habitats zu erleben. Das kommt, wie sie an dem Gesprächsabend in der Urania zugibt, selten genug vor. Lebowitz hält New York nämlich für die einzige lebenswerte Stadt; Reisen sei ihr ohnehin ein Gräuel: „Man begibt sich vorsätzlich in die Hände von Inkompetenz.“ Und dabei hatte sie noch nicht einmal das Vergnügen einer Fahrt mit den Berliner Verkehrsbetrieben.

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In den USA ist Fran Lebowitz seit Jahrzehnten eine Größe des gesellschaftlichen Lebens. Sie sitzt in Talkshows, moderiert und kommentiert, stets in diesem atemlos-stakkatohaften Tonfall, bei dem der nächste Satz ungeduldig darauf zu warten scheint, dass der vorherige endlich ausgesprochen ist. Hierzulande haben viele Menschen das erste Mal dank Martin Scorseses Netflix-Doku „Pretend It’s a City“ von ihr gehört, in der die beiden New Yorker Urgesteine das Leben im Big Apple feiern. Entsprechend jung ist das Publikum in der seit Monaten ausverkauften Urania, was an sich schon eine gewisse Ironie enthält.

Kultfigur der Generation Netflix

Dass ein 80-jähriger Regisseur eine 72-jährige Kodderschnauze zur neuen Kultfigur der Generation Netflix gemacht hat, amüsiert auch Lebowitz. Als ihr alter Freund Marty sie fragte, ob sie gemeinsam eine Dokuserie für den Streamingdienst machen sollten, er gleichzeitig aber zugab, nicht zu wissen, wie man eine Serie dreht, habe sie nur gedacht: „Lass das Kid mal machen.“

Wer glaubt, dass reiche Menschen schlau sein müssen, hat noch nie einen reichen Menschen kennengelernt. Oder einen schlauen.

Fran Lebowitz über Donald Trump

Doch in den vergangenen Jahren sei ihr zunehmend aufgefallen, dass wildfremde junge Menschen sie auf der Straße ansprechen und um Rat fragen. Für Lebensweisheiten sieht sie sich allerdings nicht zuständig. Zum einen, weil diese jungen Leute eh ständig nur auf ihre Mobiltelefone starren; Lebowitz’ legendäre Festnetzleitung, über die man sie in ihrem New York Apartment erreichen kann, bleibt auch an diesem Abend nicht unerwähnt. Und zum anderen, weil die Jungen selbst leben und ihre Erfahrungen machen sollten – so wie sie damals als 21-jähriges Landei, das nach der Ankunft in New York zunächst mit dem Taxifahren Geld verdient hat.

Im Kulturleben Deutschlands gibt es kein Pendant zu Lebowitz, was auch daran liegt, dass diese spezielle Form jüdischer Intellektueller ein New Yorker Phänomen ist. Lebowitz lebt nach eigenem Bekunden mit 12.000 Büchern, sie bezeichnet sich in Berlin aber unter tosendem Applaus auch als Hedonistin. Lebowitz hat diese Rolle inzwischen dankbar angenommen, sie muss eigentlich nur noch reden, um die Leute zum Lachen zu bringen. Auch Scorsese hört man in „Pretend It’s a City“ ständig giggeln.

Typische New Yorker Freundlichkeit

Der Abend in der Urania besteht aus zwei Teilen: einem einstündigen Gespräch, in dem sie mit teilweise bereits bekannten Anekdoten über ihre Jugend, New York und den Zustand der Menschheit erzählt. „Wir leben in einer schrecklichen Zeit“, resümiert sie apokalyptisch. Im zweiten Teil des Abends beantwortet sie Fragen aus dem Publikum, das sie mit dieser typischen New Yorker Freundlichkeit auch schon mal brüsk unterbricht. Um dann eine ganz andere Frage, die gar nicht gestellt wurde, zu beantworten.

Das wirkt allerdings weniger spontan, wie der Moderator des Abends sekundiert, sondern eher einstudiert. Sie weiß, was das Publikum von ihr erwartet. Der „Lebowitz-Sound“ ist inzwischen ihr Markenzeichen – egal, was sie sagt. Und sie ist sicher die Erste, die zugeben würde, dass die Leute ja blöd wären, wenn die auf sie hören würden. Auch wenn eine Fran Lebowitz natürlich immer recht hat.

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