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Aus der Distanz. Die Arbeit am Balkon des Berliner Künstlers David Rych hat keinen Titel, kündet im Jahr der Pandemie allerdings von der verlorenen Zeit und steht symbolhaft für den Abstand, den nun alle voneinander halten müssen.

© @diebalkone

Gallery Weekend in Berlin: Zu mir und zu dir

Das Projekt Die Balkone in Prenzlauer Berg zeigt zum Gallery Weekend künstlerische Arbeiten im halb privaten, halb öffentlichen Raum.

Als Félix Gonzales Torres 1987 zwei synchronisierte Uhren eng nebeneinanderhängte, widmete er die Arbeit seinem an Aids erkrankten Partner. Die Botschaft des Künstlers vermittelt sich sofort und ist trotz ihrer Augenfälligkeit hochpoetisch: Die Zeit läuft für beide, und sicher gerät eine der Uhren irgendwann aus dem Takt oder hört ganz auf zu ticken.

David Rych spielt mit diesem Vorbild, wenn er nun zwei Uhren an seinen Balkon in Prenzlauer Berg pappt. Allerdings weit voneinander entfernt, was an die neue Distanz und Isolation erinnert, die daraus resultiert. „Untitled“ heißt sein Beitrag zum Projekt „Die Balkone“, das an diesem Wochenende zum zweiten Mal stattfindet.

Die Idee kam den Kuratorinnen Övül Ö. Durmusoglu und Joanna Warsza vergangenes Jahr spontan im ersten Lockdown. Das Gallery Weekend fiel damals komplett aus, aber „Die Balkone“ als Ausstellungsprojekt im halb privaten, halb öffentlichen Raum fanden dagegen statt: Über 30 Künstler:innen wie Kunstkritiker:innen schufen Arbeiten für ihre Loggien oder luden Gastkünstler zur Bespielung des spannenden Zwischenorts ein. Die Resonanz war so enorm, dass eine Neuauflage beschlossen wurde – diesmal mit finanzieller Unterstützung vom Kultursenat.

Wieder sind „Die Balkone“ auf jenen Kiez beschränkt, in dem vermutlich die meisten Kreativen Berlins wohnen. Man kann das bedauern angesichts der internationalen Begeisterung, die 2020 ähnliche Projekte von Paris bis Stockholm oder Taipeh hervorgebracht haben.

Für die Teilnehmer:innen aber bedeutet es, dass sie sich intensiv mit den Bedingungen vor Ort auseinandersetzen können: mit der Geschichte von Prenzlauer Berg als Nukleus einer ostdeutschen Untergrund- und Dissidentenkultur ebenso wie mit der Gentrifizierung – an der die nach 1989 zugezogenen Kulturarbeiter sicher auch Anteil haben.

Die allgegenwärtige Obdachlosigkeit wird thematisiert

Ihre Arbeiten finden sich nicht nur an Fenstern und Balkonen. Die Künstlerin Antonia Low etwa verlässt ihre Wohnung, um im Hausdurchgang einen Vorhang zu installieren, der die allgegenwärtige Obdachlosigkeit in der Stadt zum Thema hat. Sam Durant und Ana Prvacki rücken mit dem Ernst-Thälmann- Denkmal eines der wenigen DDR-Monumente in den Fokus, die die Nachwendezeit überlebt haben.

[30. April – 2. Mai, Fr. 16–19 Uhr, Sa/So 12–19 Uhr. Teilnehmer:innen und Orte unter: diebalkone.net]

Sarah Alberti und Grischa Meyer arbeiten einen Teil des Ausstellungsprojekts „Die Endlichkeit der Freiheit“ von 1990 auf, während Pinar Ogrenci über Gender-Unwuchten im Stadtbild nachdenkt: Von ihrer Wohnung aus blickt sie auf jene gut versteckte Ela-Kay-Straße, die der Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime gewidmet ist. Weitere Teilnehmer:innen sind Ayse Erkmen, Christoph Keller, Kader Attia, Yael Bartana, Ulf Aminde, discoteca flaming star oder die Straßenzeitung „Arts of the Working Class“.

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