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Ein Stück DDR-Geschichte: Ein Wartburg, Modell 353. Produziert wurden die von Hans Fleischer und Clauss Dietel entworfenen Autos von 1965 bis 1988 in Eisenach.

© Stiftung Haus der Geschichte

DDR-Design: Gebt uns die Dinge zurück!

Die Sammlung Industrielle Gestaltung, wichtigste Kollektion von DDR-Design, lagert seit Jahren im Depot. Experten streiten nun, wie es mit ihr weitergehen soll. Gehört das "Ostdeutsche" ins Design-Museum?

Die Formulierung ist Provokation: „DDR-Design – zu Recht vergessen?“ ist die Veranstaltung im Museum der Dinge überschrieben. In den Kreuzberger Räumen ist kein Platz mehr frei, als sich das neunköpfige Team von Experten am Tisch versammelt. Und es wird schnell klar, dass es den Zuhörern um etwas anderes geht als ein paar theoretische Reflexionen über Werkbundbewegung oder Bauhaus-Ideale: Das eigentliche Thema versteckt sich in einem Nebensatz.

Ob „Ostdeutsches“ in ein Design-Museum gehöre oder doch bloß ins Depot, lautet eine der Fragen, die Renate Flagmeier (Museum der Dinge) und Cornelia Hentschel (Stiftung Industrie und Alltagskultur) als Moderatoren des Abends an alle Diskutanten haben. Doch noch bevor Clauss Dietel als einer der wichtigsten ostdeutschen Formgestalter, der Designtheoretiker Walter Scheiffele oder der Fachjournalist Günter Höhne sich groß dazu äußern können, kommt die erste Wortmeldung aus dem Publikum: Warum die Sammlung Industrielle Gestaltung, bis 2005 in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg untergebracht, seit geschlagenen sieben Jahren nicht mehr sichtbar sei? Und weshalb sich das Bonner Haus der Geschichte diese größte Kollektion von Design und Alltagskultur aus der DDR habe übertragen lassen, um die rund 160 000 Objekte dann in einem Spandauer Depot zu „verstecken“?

Mehr braucht es nicht, um die Emotionen zu entfesseln. Was DDR-Design den Zeitgenossen erzählen kann, ob es überhaupt „DDR-Design“ gegeben hat oder man über „Design in der DDR“ sprechen muss – diese Fragen rücken an den Rand. Im Zentrum der Aufregung findet sich stattdessen Dietmar Preißler wieder, der das Haus der Geschichte als Sammlungsdirektor vertritt.

Ihm gilt nun alle Kritik, die bis zum Vorwurf reicht, das Haus würde nicht einmal fachspezifische Anfragen beantworten und Wissenschaftlern den Zugang zum Depot verwehren. Preißler widerspricht: Sein Haus sitze seit Jahren an der Inventarisierung und habe großteils schlecht gepflegte Objekte vorgefunden, die nur mit Mühe zu retten seien. Vor allem habe man niemandem etwas weggenommen. Schon gar nicht der Stiftung Industrie und Alltagskultur, die Sammlung und Ausstellung in der Kulturbrauerei bis 2005 betreut hatte – worauf Cornelia Hentschel ihre Rolle als Moderatorin kurz vergisst und Preißler verbal attackiert.

Schlichten wollen Siegfried Gronert von der Gesellschaft für Designgeschichte und Andreas Ludwig (Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Eisenhüttenstadt), die den Blick nach vorn empfehlen. Tatsächlich plant das Haus der Geschichte für 2014 eine neue Dauerausstellung am alten Ort. 1700 Quadratmeter sind in der Kulturbrauerei für die künftige Schau „Alltag und Kultur in der DDR“ samt Informationszentrum und Bibliothek gesichert.

Dass inzwischen rund 1000 Objekte im Internet anzuschauen seien, betont Preißler ebenso wie die Notwendigkeit, die Ausstellungsräume nach baufachlichen Kriterien herzurichten. Was man in Prenzlauer Berg vorgefunden habe, sei vielleicht im „wilden Berlin der Anfangsjahre“ möglich gewesen. Da hat Preißler für einen Moment wohl die Zeit aus den Augen verloren – die Ausstellung war ab 1994 elf Jahre lang zugänglich und damit sicher kein Relikt einer wilden Stadt.

Der Mann aus Bonn lässt auch an anderer Stelle erkennen, dass er die Debatte erstens von Ferne und zweitens als strikter Historiker verfolgt. Preißler spricht mehrfach von der „Kontextualisierung“ der Alltagsgegenstände. Sie lässt befürchten, dass auch das Design aus DDR-Zeiten in jenen „historischen und politischen Zusammenhängen“ anschaulich gemacht wird, wie es das Haus der Geschichte in seinen Bonner Ausstellungen tut. Die Diskussion um den ästhetischen Wert, die gestalterische Qualitäten und das Formbewusstsein jener Objekte wäre dann beendet, bevor sie richtig begonnen hat. Und der gequälte Ausruf von Günter Höhne wäre als Appell eines echten Designliebhabers zu verstehen: „Gebt uns die Dinge zurück!“

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