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Kultur: Genie in der Flasche

POP

Zugabe gab es nicht. Hätte auch komisch gewirkt, in einer Bühnenshow, in der für Spontaneität ungefähr so viel Platz ist wie für Selbstzweifel in den Reden George Bushs. Der Auftritt von Christina Aguilera im Berliner Velodrom war dennoch ein Meisterwerk – eins der Rationalisierung. Jeder ihrer Schritte schien mit einem Choreografen durchgesprochen. Aguilera war fast den gesamten Abend von acht Tänzern umringt, die in immer neuen Verkleidungen das Thema „Junge will Mädchen, Mädchen ist nicht so leicht zu haben“ durchspielten: Mal sind sie als Mexikaner angezogen, mal als Jogger, mal als Schwimmbadbesucher. Aus diesen Konstellationen darf die 22-Jährige kaum ausbrechen, als hätte man Angst gehabt, ihr etwas Freiheit zu gönnen.

Auch von der angekündigten Erotik ist in der nicht annähernd ausverkauften Halle wenig zu spüren. Und das, obwohl sich Aguilera angeblich vom goldblonden Familienstar in die dunkelhaarige Sexbombe „Xtina“ verwandelt hat. Während der Show wurde der Wandel unterstrichen durch die kernige Hardrock-Version ihres ursprünglich balladesken ersten Hits „Genie in a bottle“. Aguilera wird dabei auf ein „X“ gekreuzigt und von ihren männlichen Tänzern umgarnt. Es kommt jedoch weder zum Striptease, wie Aguileras letzter Albumtitel „Stripped“ versprach, noch wird sie mit Motorenöl eingeschmiert. Nicht die sexuelle Befreiung eines amerikanischen Bravchens hat stattgefunden, es wurde lediglich ein kalkulierter Imagewandel vollzogen. Stimmung kommt unter den Zuschauern nicht auf. Wo Individualität ins Korsett einer lieblos abschnurrenden Show gepresst wird, erstickt die Erotik gleich mit.

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