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Neben dem Opernhaus gibt es eine Bibliothek, ringsherum erstreckt sich eine weitläufige Parklandschaft.

© AFP

Griechische Nationaloper in Athen: Kulturtempel für alle

Von wegen elitär: Die Griechische Nationaloper in Athen macht vor, wie Musiktheaterhäuser nachhaltig zur Stadtentwicklung beitragen können.

Im internationalen Opernbetrieb spielt Griechenland bislang keine nennenswerte Rolle. Doch das könnte sich in absehbarer Zeit ändern. Denn Athen besitzt bereits seit fünf Jahren das, was in Deutschland noch Zukunftsmusik ist, aber im Zuge der aktuellen Sanierungsdebatten immer deutlicher eingefordert wird: ein multifunktionales Opernhaus, das sowohl allen alten Anforderungen gerecht wird als auch die neu ihm zugewiesenen Aufgaben abdeckt.

Denn wenn heutzutage ein neues Opernhaus gebaut wird, soll es eben viel mehr können als die alten Paläste der Repräsentations-Lust. Es soll aber auch mehr können als die demokratisch gedachten, sachlich-kühlen Theaterbauten der Nachkriegs-Moderne. Ein neues Opernhaus sollte Anschluss an Stadtentwicklungsprojekte suchen, am besten ganztags zugänglich sein, multifunktional für große und kleine Formate aller Art gerüstet sein, mit niedrigschwelliger Ausstrahlung locken und zudem einladende Gastronomie für alle Geschmäcker bieten.

Opernhäuser sollen sich heute zur Stadt öffnen

Dergleichen wird hierzulande nun immer häufiger gewünscht: In Düsseldorf etwa entschied sich die Stadt Ende des vergangenen Jahres nach öffentlichen Diskussionen mit reger Bürgerbeteiligung gegen die Sanierung des maroden Opernhauses aus den 1950er Jahren und für den Neubau eines Opernhauses „der Zukunft“, das „mehr als eine Oper“ sein will. Auch Frankfurt diskutiert angesichts geschätzter Sanierungskosten in horrender Höhe und unkalkulierbarer Risiken über einen Neubau, womöglich dezentral.

Als Vorbild für das neue Opernhaus-Ideal des 21. Jahrhunderts wird immer wieder das Osloer Konzept genannt, aber auch die bislang weniger beachtete griechische Nationaloper könnte als Blaupause dienen. Allerdings nur hinsichtlich ihrer architektonischen Konzeption – denn sowohl ihre Entstehungsgeschichte als auch ihre Finanzierung sind hierzulande kaum vorstellbar.

Griechenlands einziges Opernhaus ist nämlich im südlich vom Athener Stadtzentrum gelegenen Stadtteil Kallithea nur ein Teil des „Stavros Niarchos Foundation Cultural Center“. Der gigantische Komplex erstreckt sich über ein weites Gelände mit Park, künstlichem Hügel und einem 400 Meter langen Kanal bis fast ans Meer, vom Dach der Oper hat man einen atemberaubenden Blick auf den Saronischen Golf.

Die Stiftung eines Reeders hat das Vorhaben finanziert

Finanziert wurde das gewaltige Projekt, das auch unter ökologischen Aspekten Modell-Charakter hat, von einer privaten Stiftung, deren Gründer Stavros Niarchos wie sein ewiger Rivale Aristoteles Onassis sein Vermögen einst im Reederei-Geschäft machte. Und weil private Stiftungen wendiger sind als die öffentliche Hand, konnte ohne umständliche Verfahren geplant und gebaut werden.

Innerhalb kürzester Zeit wurde das Projekt noch mitten in den Nachwehen der griechischen Schuldenkrise realisiert: Star-Architekt Renzo Piano konnte gewonnen werden, der Zuschlag nach einer Ausschreibung erfolgte 2009, der gesamte Komplex wurde schlüsselfertig 2017 dem griechischen Staat als Schenkung übergeben. Sogar die Betriebskosten sowie auch neuere Projekte, wie das GNO-TV-Streaming-Portal werden neben stetiger öffentlicher Subventionierung von der Stiftung nach wie vor maßgeblich unterstützt.

Der Bau mit Meerblick ist spektakulär: Der transparent anmutende Komplex aus Glas, Stahl und Beton beherbergt neben dem 1400 Plätze bietenden großen Saal der Nationaloper – genannt Stavros Niarchos Hall – auch die Nationalbibliothek, ein großes Café im Eingangsbereich, ein kleines auf der Aussichtsplattform, Ballett-Säle mit Meerblick, Chor- und Orchesterprobenräume, sowie eine kleinere alternative Bühne, auf der in enger Taktung auch Kinderprogramme laufen. Der Komplex wird von den Athenern angenommen, obwohl er dezentral liegt, dank Bibliothek, Park und Wasserspielen herrscht ganztags lebendige Betriebsamkeit.

Noch ist der Geschmack der Athener recht traditionell

Seit ihrer Eröffnung 2017 ist der Komponist Giorgos Koumendakis künstlerischer Leiter der Nationaloper, einen seiner größten Erfolge landete er 2014 mit der Uraufführung seiner Oper „The Murderess“, mit deren Wiederaufführung gerade eben im Dezember des 200. Jahrestags der griechischen Revolution gedacht wurde. Koumendakis' gemäßigt moderne Tonspur wurde von Regisseur Alexandros Efklidis in statische Tableaus konservativer Ästhetik übersetzt. Das entspricht dem eher traditionellen Geschmack vor Ort, was bekanntlich auch für Italien, das Mutterland der Oper gilt.

Aber Koumendakis will künftig mehr, er gibt Uraufführungen in Auftrag, im September war Marina Abramovics „Seven Deaths of Maria Callas“ zu Gast und im Februar kommt in Koproduktion mit Baden-Baden Giuseppe Verdis „Otello“ in der Regie von Bob Wilson heraus. Im günstigsten Fall wird die avantgardistische Architektur-Hülle also mehr und mehr auch die künstlerischen Inhalte befeuern, den Geschmack schärfen. Auch im Hinblick auf die Erneuerungs-Ambitionen hierzulande darf man gespannt sein, ob sich diese Hoffnung in Athen erfüllen wird.

Regine Müller

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