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Harms-Verabschiedung: Wowereit an der Deutschen Oper von der Bühne gebuht

Während sich Intendantin Kirsten Harms bei ihrer Verabschiedung aus der Deutschen Oper feiern lässt, muss Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit seine Rede abbrechen.

Die Intendantin als Popstar: Zu Händels „Feuerwerksmusik“ steht Kirsten Harms im Konfettiregen auf der Bühne und bekommt Blumen, den größten Strauß von den Bühnenarbeitern. Ganz zum Schluss ihrer siebenjährigen Intendanz hat sie sich doch noch zu einer anderen Farbe durchgerungen als ihrem geliebten Weiß: Im goldenen Kleid vor tiefblauem Hintergrund wirkt sie selbst wie jene Elisabeth, die Nadja Michael gerade im „Tannhäuser“ gesungen hat – in Harms' eigener Inszenierung. Es ist ihre Abschiedsvorstellung. Die letzten offiziellen Worte: „So aufzuhören, das ist ein Traum.“

Echtes Bedauern über ihren Weggang ist an diesem Abend zu spüren, auch wenn Harms zunächst weder im Foyer noch auf dem Götz-Friedrich-Platz zu sehen ist. Erst kurz vor Beginn der Vorstellung betritt sie die Intendantenloge und blickt traumverloren ins weite, ausverkaufte Rund: 1800 Menschen, die sie noch einmal sehen wollen, zum Freundschaftspreis von 25 Euro auf allen Plätzen. Ein Besucher stupst seine Begleitung an: „Ich stehe auf und klatsche. Machen Sie mit?“ Binnen weniger Sekunden erhebt sich der ganze Saal im donnernden Applaus. Die Intendantin grüßt und lächelt scheu nach unten, so wie sie es sieben Jahre lang getan hat. Am Ende wieder Applaus, diesmal vor allem für den Chor von William Spaulding. Unter Donald Runnicles' Assistent Evan Rogister hat sich auch das Orchester zu einem saftigen, vollmundigen Wagner-Klang mit berückend schönen Holz-Soli aufgeschwungen.

Doch heute gilt's nicht der Kunst. Klaus Wowereit eröffnet seine Rede mit einem „Tannhäuser“-Zitat, dessen bitterbösen Charakter viele Zuschauer nicht gleich bemerken: „Die Zeit, die hier ich verweil', ich kann sie nicht ermessen.“ Trotzdem lobt er die herausragendste Leistung der scheidenden Intendantin: Sie hätte dem Haus wieder eine Zukunft gegeben. Als er sich für die „gute Zusammenarbeit“ bedankt, bricht im Publikum ein gewaltiges Buh-Gewitter los. Schnell bringt er seine Rede zu Ende und trollt sich. „Möglicherweise haben viele zu spät bemerkt, welche enormen Qualitäten ich habe“, hatte Harms auf ihre unnachahmliche Art nachmittags im „Deutschlandradio“ erklärt.

Dem Architekten Stephan Braunfels fällt als Vorsitzendem des Förderkreises die Aufgabe zu, Harms rundheraus zu loben, vor allem das „Wunder“ der Auslastungssteigerung von 60 auf 81 Prozent. Harms hätte die Deutsche Oper den Menschen zurückgebracht und jungen Regisseuren ein Chance gegeben – „wobei sie da vielleicht manchmal zu mutig war“. Zum Schluss eine Stimme aus dem Publikum: Eine Abonnentin bekennt, Kirsten Harms zu verehren und lädt sie ein, als Regisseurin zurückzukommen: „Dich, teure Halle, grüß' ich wieder.“ Noch ein „Tannhäuser“-Zitat. Und diesmal wirklich nett gemeint. Udo Badelt

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