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Egal, wo Inspector John Barnaby (Neil Dudgeon, rechts), ermittelt, das ZDF-Stammpublikum findet ihn immer.

© ZDF und Mark Bourdillon/Mark Bourdillon

„Inspector Barnaby“ schlägt „Toubab“: Raus aus den Campingstühlen!

Schon erstaunlich, wie das Publikum des linearen Fernsehens Programm-Abenteuer scheut.

Eine Kolumne von Joachim Huber

Die Senioren retten das lineare Fernsehen, keine Altersgruppe hängt so treu am Fernsehen nach Schema. Und weil die Zahl der Senioren in Deutschland ständig wächst, wird dieses Fernsehen wohl kaum so sehr an Aufmerksamkeit verlieren, dass nur die Mediatheken übrigbleiben.

Innovationsverhinderer

Aber jedes Ding hat seine zwei Seiten. Die Senioren, auf jeden Fall die älteren Zielgruppen, sind, so will es scheinen, wahre Innovationsverhinderer. Als das ZDF jüngst am Montagabend den Film „Toubab“ aus der „Shooting-Stars“-Reihe in die Primetime hob, kam es im ZDF-Publikum zu einer großen Fluchtbewegung. Nur 2,14 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer wollten „Toubab“ sehen.

Gewohnt, dass am Montagabend Mord und Totschlag den Fernsehabend versüßen (kein Widerspruch!), wechselte das Stammpublikum von sechs, sieben Millionen den Sender. Im Ableger ZDFneo wurden die Krimi-Fans mit einer Wiederholung von „Inspector Barnaby“ bedient, 2,23 Millionen Menschen erreicht. ZDFneo überholte das ZDF.

Das Programmschema des Zweiten Deutschen Fernsehens besteht aus Quoten-Gold. Niemals dramatisch verändert, kann der gelernte ZDF-Gucker das Programm auswendig. Krimi, ein bisschen Show, auf jeden Fall „Bares für Rares“, Kiwi am Sonntagnachmittag, „Aktenzeichen XY“-Grusel, am Sonntag dann der Schund auf den Schären, gerne auch im Rosamunde-Pilcher-Gewand. Und um 21 Uhr 45 lächelt Marietta Slomka ihr Husky-Lächeln.

Okay, das läuft jetzt in eine großartige Publikumsbeschimpfung hinein. Warum muss gelästert werden, dass Zuschauerinnen und Zuschauer das Fernsehen einschalten, das sie einschalten wollen?

Darum: Dieser Programm-Stalinismus entzieht forcierter Programm-Entwicklung den Boden. Folgerichtig traut sich das Zweite nur bei ZDFneo und noch mehr in der Mediathek was. „Aufgestaut“, „Normal People“ oder „Ready.Daddy.Go!“ – hier schaut der Sender in andere Gewohnheiten, andere Fragen, andere Gesellschaftskonstellationen hinein, erzählt Geschichten jenseits der routinierten Geschichten. Das Leben zeigt sich so bunt und so wahnsinnig, wie das Leben bunt und wahnsinnig ist.

Damit sich keiner täuscht: Was für das ZDF gilt, gilt gleichermaßen für die ARD. Da ist es beispielsweise so, dass bei den erfolgreichsten „Tatort“-Krimis Kommissare agieren, die die 60 überschritten haben: Dietmar Bär (62), Axel Prahl (63), Richy Müller (67), Miroslav Nemec (69). So wenig wie Schönheit vor Alter schützt, so sehr schätzt Alter das Alter, jedenfalls im traditionellen Fernsehen.  

Fernsehen kann Campingplatz oder Abenteuer sein. Schön wäre es schon, wenn sich die Stammseher (mal) erheben würden.

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