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Die spanische Autorin Elizabeth Duval.

© Hannah Waheed

Internationales Literaturfestival Berlin: Autorin Elizabeth Duval über Genderidentität und Transrechte

Mit  „Nach Trans – Sex, Gender und die Linke“ hat die Spanierin Elizabeth Duval ein kontroverses Buch veröffentlicht, über das sie jetzt im Instituto Cervantes diskutierte.

In gewisser Weise ist Spanien eine feministische Vorreiterin: Das Gesetz der freien Geschlechtswahl ging dort bereits durchs Parlament, während hierzulande noch diskutiert wird, und von einem Menstruationsurlaub können deutsche Frauen nur träumen. Gleichzeitig ist es auf der Iberischen Halbinsel aber auch möglich, dass ein Theaterstück wie „Orlando“ nach dem Roman von Virginia Woolf abgesetzt wird, weil die ultrarechte Vox-Partei sich in der Provinz festgesetzt hat.

Das gehöre auch irgendwie zusammen, sagt die in der queeren Szene einflussreiche Aktivistin und Philosophin Elizabeth Duval, die im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals am Sonntagabend im Instituto Cervantes in der geschichtsträchtigen Berliner Rosenstraße zu Gast war. Denn die gesellschaftspolitischen Liberalisierungen in ihrem Land seien heftig umstritten und durch Bündnisse mit den Konservativen gelinge es den Rechten nun, nicht nur in Hinterzimmern zu schwadronieren, sondern die Gunst der Stunde zu immer dreisteren Tabubrüchen zu nutzen.

Bevor es aber in die politischen Niederungen ging und das Publikum sogar basisdemokratisch darüber abstimmte, welche Fragen der launige Moderator Jayrôme C. Robinet in den Ring werfen durfte, erging sich der im Jahr 2000 geborene Shootingstar in kursorischen Begriffsexegesen.

Sie sollte auflösen, warum sie – wie sie in ihrem Buch und dem gleichnamigen Titel der Veranstaltung „Nach Trans – Sex, Gender und die Linke“ (Wagenbach) sehr differenziert ausführt – einerseits für das spanische Gesetz der freien Geschlechtswahl kämpfte, andererseits aber den Selbstbestimmungsbegriff, der für dieses Begehr in Anschlag gebracht wird, für untauglich hält, wenn es um Genderidentität geht. Trans ist für Duval nicht nur eine juristische Kategorie, sondern auch im Alltag verankert, ein „Fächer von Möglichkeiten, je nach historischem Kontext“.

Und hier geht es ans Eingemachte, denn im Unterschied zu ihren konstruktivistischen Mitstreiter:innen ist die an der Pariser Sorbonne studierende Duval davon überzeugt, dass Geschlecht auch eine soziale Tatsache ist, die es anzuerkennen gilt. Geschlechtsidentität lasse sich nicht einfach wechseln wie ein Kleid, das Subjekt habe eben „nicht die Freiheit, zu sein, was es will“, sondern nur die Möglichkeit, „sich zu erkennen“. Kritisch setzt sie sich allerdings auch mit den naturalistischen Mythen ihrer eigenen Trans-Community auseinander, der Vorstellung, man sei schon im Mutterleib gefangen im eigenen Körper.

Im Auditorium des Instituto fand die zwischen allen Stühlen sitzende Duval viel Beifall für ihre aus unterschiedlicher Perspektive nicht immer ganz „korrekten“ Einlassungen, für die sie anderweitig auch Kritik einstecken muss. Insbesondere ihre differenzierte Auseinandersetzung mit der britischen Philosophin Kathleen Stock, die in Sussex ihren Lehrstuhl aufgegeben hat, weil sie als exkludierend und transphob wahrgenommen wurde, wird nicht überall goutiert.

Doch Duval geht es darum, Brücken zu bauen zwischen denen, die glauben, die „reine Lehre“ zu vertreten, und der Vielzahl der Menschen, die im Alltag trans leben, aber auch von ihren Herkünften wie Klasse oder Rasse geprägt sind. „Wir haben selbst Tendenzen zur Homogenisierung“, ist sie überzeugt, zulasten derer, die aus dem Raster fallen. Denn auch in der Transwelt gebe es unterschiedliche Interessen. Sie beklagte die mangelnde politische Solidarität zwischen linker und Transbewegung, die es den Rechten leicht mache, ihre reaktionären Pflöcke einzuschlagen.

Die Zukunft der Geschlechterverhältnisse sieht sie eher pessimistisch, denn Duval ist überzeugt, dass die binären Kategorisierungen bestehen bleiben, selbst wenn sich die Reproduktionsfähigkeit weiter technisieren sollte und sich die Unterschiede zwischen cis und trans verwischten.

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