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Konflikt auf der Berlin Biennale eskaliert: Irakische Künstler ziehen ihre Werke ab

Die öffentliche Erklärung von Kurator Kader Attia brauchte lange. Die Reaktion der Künstler kam prompt.

Drei Wochen hatte das Statement von Kader Attia und dem kuratorischen Team der Berlin-Biennale zu den Ende Juli erhobenen Vorwürfen irakischer Teilnehmer:innen auf sich warten lassen, die ihre Beiträge nicht länger in unmittelbarer Nachbarschaft einer Installation von Jean-Jacques Lebel hängen lassen wollten. Dessen in den Rieck-Hallen präsentiertes Werk „Lösliches Gift. Szenen aus der Zeit der amerikanischen Besetzung in Bagdad“ (2012) zeigt vergrößerte Ausschnitte bekannter Folterfotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib in Form eines Labyrinths.

Die Reaktion von Layth Kareem, Raed Mutar und Sajjad Abbas auf Kaders erstaunliche späte öffentliche Erklärung folgte umso schneller. Nur einen Tag darauf erklärten die Künstler:innen ihren Rückzug von der Biennale, nachdem sie einer Verlegung ihrer Werke weg von Lebel zur Akademie der Küste am Pariser Platz und Kunst-Werke zunächst zugestimmt hatten. Sie werden nun abgehängt.

Die Berlin Biennale und die Documenta haben beide ihre Skandale

Die Berlin Biennale hat damit ihren eigenen Skandal, der sich nur bedingt mit dem der Documenta vergleichen lässt. Beide Vorgänge verbindet jedoch, dass politische Debatten die Wahrnehmung der Ausstellungen, mithin der Kunst dominieren. Angesichts ihrer Agenden verwundert dies nicht, insbesondere bei der Berlin-Biennale, die sich dem Konzept der Dekolonisierung verschrieben hat und die Folgen des Kolonialismus in der heutigen Gesellschaft aufzuspüren sucht. Über die Form gibt es jedoch einen Dissens.

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Während sich Attia von der offensiven Darstellung der Folterfotos eine Katharsis verspricht, empfinden die irakischen Künstler gerade dies als Fortsetzung der Gewalttätigkeiten durch die amerikanischen Besetzer. In ihrer Antwort auf Attias Statement, die erneut im US-Magazin „Artforum“ veröffentlicht ist, werfen sie der Berlin-Biennale eine paternalistische Haltung vor und erklären, dass sie sich nicht darüber belehren lassen wollten, wie sie ihre eigene Geschichte zu verstehen hätten. Größer kann das gegenseitige Missverständnis wohl kaum sein.

„Trust“ lautet der Workshop-Titel der Künstlerin Susana Pilar, ein Tipp

Attias Konzept einer Reparatur, die er als Künstler an Objekten durch die Darstellung von Vernarbungen demonstriert und als Denker und Aktivist in seinem Pariser Ausstellungsraum La Colonie auf individuelle und gesellschaftliche Traumata auszudehnen suchte, stößt hier auf Widerstand. Der Konflikt könnte trotzdem fruchtbar sein. In seiner jüngsten Mitteilung betont das Biennale-Team, nach wie vor an der Aufarbeitung der Kontroverse interessiert und für den Dialog offen zu sein.

So soll zu einer Veranstaltung eingeladen werden, in der sich die Beteiligten öffentlich austauschen. Der bereits für nächste Woche angekündigte Workshop „Trust“ der Künstlerin Susana Pilar zur Frage des Vertrauens könnte dabei auch schon helfen.

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