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Die Band Isolation Berlin.

© Noel Richter

Isolation Berlin live im Lido: Im Bann vom Schmerzensmann

Seit zehn Jahren machen Isolation Berlin Indierock mit den poetisch-selbstquälerischen Texten von Tobias Bamborschke. Beim Jubiläumskonzert funktioniert das gut.

Als es dann passiert, als die Welt untergeht im Al-Bayt-Stadion in Katar, wo die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Costa Rica gewinnt und sich dennoch von der WM verabschieden muss, geht gleichzeitig im Kreuzberger Club Lido alles seinen Gang.

Das Konzert von Isolation Berlin läuft einfach weiter, als sei nichts passiert. Von der Band ist eigentlich auch keine andere Reaktion zu erwarten. Einer ihrer Songs hat den Titel „Ich hasse Fußballspielen“. Das ist zwar nicht dasselbe wie zu sagen „Ich hasse Fußball“, deutet aber auf eine gewisse emotionale Distanz zu diesem Sport hin.

Doch für wie wenig mitreißend diese Winter-WM im eigentlich recht fußballafinen Indierock-Milieu generell gehalten wird, zeigt sich auch daran, dass es im Lido nicht einmal einen mickrigen Fernseher gibt, um sich Zwischenstände aus Katar einzuholen. Bei der WM vor vier Jahren gab es im selben Laden noch Public Viewing ohne Ende.

Wer dann doch nach einem Blick auf sein Handy klammheimlich ein wenig leidet aufgrund der Geschehnisse im Emirat, ist aber trotzdem bestens aufgehoben beim Konzert von Isolation Berlin. Denn wenn diese Band ein Fachgebiet hat, von dem sie wirklich etwas versteht, dann ist das Trübsal blasen und eine depressive Stimmung zu verbreiten.

Ihr Bandname ist schließlich Programm: Alle sind so locker drauf in Berlin, rennen von Party zu Party, aber Sänger Tobias Bamborschke stapft einsam durch die kalte Stadt auf der ewigen Suche nach Liebe und Erlösung und landet am Ende doch bloß wieder bei Selbstzerfleischung.

Darüber geht es immer bei Isolation Berlin, seit zehn Jahren nun schon, seit die Band gegründet wurde, was nun im Lido beim selbstverständlich ausverkauften Jubiläumskonzert gefeiert wird - auch wenn ihr eigentliches Debütalbum erst vor sechs Jahren erschienen ist.

Tobias Bamborschke im Lido.
Tobias Bamborschke im Lido.

© Milan Koch

Isolation Berlin ist zuallererst Tobias Bamborschke, so wie einst Queen vor allem diese Band rund um Freddie Mercury waren. Songtitel wie „Wenn ich eins hasse dann ist das mein Leben“ oder „Du hast mich nie geliebt“ verbindet man mit ihm, dem wahren Schmerzensmann der Band, der in seinen Liedern ganz offensichtlich aus seinem Leben berichtet.

Mit niemand Geringerem als Rio Reiser wurde er schon verglichen, als er noch als junger Mann Mitte zwanzig behauptete, er kenne dessen Schaffen gar nicht. Und der Vergleich ist nicht einmal zu hoch gegriffen, was das Bühnencharisma und die Fähigkeit zur poetischen Nabelschau betrifft.

Er steht im Lido mit dieser Manfred-Krug-Gedächtnismütze, die er immer trägt, und mit derselben speckigen Lederjacke, an der man ihn ebenfalls stets sofort erkennt. Und er durchlebt sichtbar seine Lieder so sehr, dass man dazu geneigt ist, Mitleid mit ihm zu bekommen.

Mütze und speckige Lederjacke

Noch einmal muss er sich durch all diese Abweisungen geliebter Menschen ackern und durch Gefühlslagen, die Albträumen gleichen müssen. „Es ist so schwer aufzustehen, wenn man einfach nicht mehr weiß wofür“, singt er in „Schlachtensee“ und „Ich hab‘ endlich keine Hoffnung mehr“ in „Alles Grau“.

Jeder einzelne Song klingt so, wie sich ein Depressionsschub anfühlen muss. Man fragt sich an dieser Stelle auch, ob es wirklich eine gute Idee ist, sich ausgerechnet Swutscher als Vorband zu angeln. Bamborschke singt oft genug von Kneipenabstürzen, die auf mal wieder zu viele schwarzen Gedanken folgen, da sollte er sich vor gewissen Einflüssen vielleicht eher fern halten. Swutscher aber bezeichen sich selbst als „Pub-Rockband“ und verticken als Merchandise Flaschenöffner.

Dass es Isolation Berlin in den zehn Jahren ihres Bestehens geschafft haben, sich rein musikalisch so gut wie gar nicht zu verändern: geschenkt. Die Band macht klassischen Indierock, der gar nicht innovativ sein möchte. Wobei sie bei den ruhigen Stücken auch live mitreißender ist als bei ihren radauigen Postpunknummern, auch wenn sich Bamborschke bei diesen besonders verausgabt.

Rein von der Musik her sind Isolation Berlin von Anfang an eigentlich bloß mäßig interessant. Aber in Verbindung mit den Texten und Bamborschkes Existenzialisten-Aura bleibt sie ein echtes Ereignis.

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