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Großgeworden auf den Straßen von Nordlondon: das Ezra Collective.

© Aliyah Otchere

Jazz-Band Ezra Collective: Keine Chance dem Hass

Aus London kommt derzeit der aufregendste neue Jazz. Dem Ezra Collective gelingt mit dem Album „Where I’m Meant To Be“ eine Groove-Sensation.

Stimmengewirr wie in einer Bar, aus dem sich ein nebelhornartig tutendes Saxofon herausschält, bevor sich eine scharf schnarrende Frauenstimme meldet und Respekt einfordert. Auf ihre herausgespuckte Forderung „I don’t want no …“ antwortet ein süßlicher Chor: „Hater“. Keine Chance dem Hass.

„Life Goes On“ heißt der polyrhythmisch vibrierende, in ein schwelgerisches Trompetensolo mündende Stück, ein wilder Ritt durch Kulturen und Genres. Es eröffnet das vor kurzem erschienene Album „Where I`m Meant To Be“ der Londoner Jazz-Band Ezra Collective. Die Gaststimme gehört einem afrikanischen Weltstar, der in Sambia geborenen, inzwischen in Australien lebenden Rapperin Sampa the Great.

Aber ist das überhaupt noch Jazz? Aus London kommt seit ein paar Jahren der vielleicht aufregendste neue Jazz. Das Wort neu hat dabei eine besondere Bedeutung, weil die meisten Protagonisten dieser Szene jung sind und eine Musik machen, die in den Club drängt, also tanzbar ist

Die afrobritische Formation Kokoroko veröffentlichte im August ein beeindruckendes Debütalbum, die Saxofonistin Nubya Garcia oder die Sons of Kemet um den Saxofonisten Shabaka Hutchings sind schon länger etablierte Größen..

Was diese Bands und Musiker verbindet: Sie greifen auf die Stile und Traditionen zurück, die es in London, der kulturell diversesten Metropole Europas gibt, und machen daraus etwas Neues. Wobei beim Ezra Collective die Weltläufigkeit besonders schillernde Blüten treibt. So verwandelt sich ihr mit nervös synkopierten Beckenschlägen einsetzender „Victory Dance“ zum brodelnden afrokubanischen Partyhit, zu dem man Salsa oder Mambo tanzen könnte.

Und den stoisch durchgehaltenen, mit viel Hall und Tambourin-Geraschel unterlegten Ska-Rhythmus von „Ego Killah“ hätte auch ein jamaikanischer Gründervater des Genres wie Laurel Aitken kaum schöner hinbekommen.

Mein frühester Einfluss war Fela Kuti aus der CD-Sammlung meines Vaters. Ich habe seit meinem viertem Lebensjahr Lieder und Lärm gemacht. Ich wurde damit geboren, es ist in mir.

Femi Koleoso, Drummer vom Ezra Collective

Dass das Ezra Collective seinen Fusion-Jazz auch mit Hiphop, R’n’B und Spoken-Word-Elementen kreuzt, versteht sich von selbst, dafür stehen auch Gastmusiker wie der Grime-Rapper Kojey Radical oder die Soulsängerin Emeli Sandé auf dieser Platte.

Man könnte lange über die Philosophie oder das Konzept des Ezra Collectives diskutieren. Es reicht aber auch, bei einem Stück von „Where I’m Meant To Be“ genau zuzuhören. Da gibt es an einen kurzen Ausschnitt aus einem Telefongespräch, das der Schlagzeuger Femi Koloeso mit seinem Idol, dem nigerianischen, inzwischen verstorbenen Afrobeat-Pionier Tony Allen geführt hat.

Allen erzählt, dass er irgendwann sagte, Jazz machen zu wollen. Alle dachten, dass er Jazz wie die Amerikaner spielen wolle. Aber er sagt: „No, I do it my way“. Auch Koloeso und sein Quintett erfanden ihren eigene Jazz.

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Der Vater von Koloeso stammte aus Nigeria, die Musik von Fela Kuti, in dessen Band Tony Allen trommelte, habe er schon als Vierjhriger gehört, erzählte Femi in einem Interview. Beim Ezra Collective geht es auch um Herkunft und Zugehörigkeit, darum, was es heißt, ein Schwarzer in London zu sein.

„Togetherness“ und „Belonging“ heißen zwei Stücke. Femi und sein Bass spielender Bruder TJ Koloeso, aufgewachsen in Tottenham, gründeten die Band 2012 mit Freunden.

Sie waren damals Teenager, trafen sich bei den „Tomorrow’s Warriors“, einer Musikbildungsstätte am South Bank Centre in London. Sie veröffentlichten 2019 das Debütalbum „You Can’t Steal My Joy“, tourten durch ausverkauft Clubs, traten bei einer Geburtstagsfeier von Quincy Jones und beim Glastonbury Festival auf. Mehr Pop-Ruhm geht kaum für Jazzmusiker.

Beim Ezra Collective geht es auch um Herkunft und Zugehörigkeit, darum, was es heißt, ein Schwarzer in London zu sein. „Togetherness“ und „Belonging“ sind Stichworte dazu, so heißen zwei Stücke. Gegründet wurde die Band 2012 von zwei Brüdern aus Tottenham, eben dem Schlagzeuger Femi und dem Bassisten TJ Koloeso zusammen mit Freunden.

Sie waren damals noch Teenager, getroffen hatten sie sich bei den „Tomorrow’s Warriors“, einer Musikbildungsstätte am South Bank Centre in London. Sie veröffentlichten 2019 das Debütalbum „You Can’t Steal My Joy“, tourten in ausverkauften Clubs durch Großbritannien und traten bei einer Geburtstagsfeier von Quincy Jones und beim Glastonbury Festival auf.

Während frühere Aufnahmen weitgehend unter Live-Bedingungen entstanden, wurden die 14 Stücke des zweiten Albums innerhalb von 18 Monaten im Corona-Lockdown aufgenommen. Es ist eine weit ausschweifende, streckenweise auch sehr elegante Platte, bei auch die größere Reife zu spüren ist.

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