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Protestierende Studenten vor dem schiefen Turm von Pisa, 2010.

© Franco Silvi/dpa

Italien: Schiefe Turm von Pisa ist nicht mehr ganz so schief

Das italienische Monumental-Bauwerk hat seine Neigung reduziert. Der Mythos aber bleibt.

Die Basilica Sant’Apollinare Nuovo von Ravenna stammt aus dem 6. Jahrhundert und ist wegen ihrer prächtigen byzantinischen Mosaike berühmt. Dabei wird oft ihr Turm übersehen, wie er da so rund und schief in den Himmel ragt. San Giorgio dei Greci in Venedig beherbergt ein exquisites kleines Ikonenmuseum: Der Kirchturm sieht aus, als hätte ihn ein betrunkener Riese in den Schlamm der Lagune gesteckt. Schief, mit einem Wort – und haben nicht auch die Türme von San Gimignano und Bologna Schlagseite – und nicht zu knapp?

Alles eine Frage der Wahrnehmung, des Mythos. Kaum einer kennt die verrutschten Gotteshäuser von Suurhusen und Midlum, beide in Ostfriesland gelegen. Und der Metzgerturm in Ulm ist auch sichtbar gebeugt. Vielleicht gibt es ja überhaupt keinen geraden Turm, nirgendwo? Das ist dann mehr eine Frage für Philosophen als für Statiker und Bauingenieure. Ab welchem Neigungsgrad ist gerade noch gerade, und wann kippt die Geschichte?

Turm in Pisa hat sich begradigt

Aus Pisa kommt eine verwirrende Nachricht. Denn der weiße Turm ist nicht mehr so schief, wie er einmal war. In den letzten 20 Jahren hat sich die Neigung des Bauwerks um rund vier Zentimeter reduziert. Sagen die Experten. Das berühmte Bauwerk und Wahrzeichen sei stabil. La torre pendente di Pisa, wie er in Italien heißt, ist 800 Jahre alt. Anfang des 21. Jahrhunderts wurden tonnenschwere Teile in sein Fundament eingebracht, um den Turm fester im Boden zu verankern. Der Erfolg zeigt sich jetzt, der Turm ist gleichsam gut wieder angewachsen. Und immer noch schief genug, dass sich tausende Touristen täglich für das Foto so davorstellen, als stützten sie ihn.

Selbst wenn der schiefe Turm komplett strammstünde, er bliebe „the leaning tower“. Der Mythos ist stärker. Wenn es erst mal so schiefläuft wie in Pisa, wird es nie mehr gerade. Der Parthenon in Athen wird immer eine Baustelle sein, und Venedig wird auch noch in 500 Jahren versinken. Mythen, so schiefgewickelt sie sind, geben den Menschen Halt.

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