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Aus glanzvollen Tagen. Die Vernissage von Agathe Snows „All Access World“ im Januar 2011

© DAVIDS/Darmer

Kein neuer Mietvertrag: Guggenheim Berlin schließt zum Jahresende

Seit 1997 fanden in den hohen, hellen Sälen des Museums Deutsche Guggenheim Unter den Linden spannende Kunstaktionen statt. Jetzt will der Besitzer des Gebäudes die Räumlichkeiten für andere Zwecke nutzen.

Die Nachricht ist ein schwerer Schlag – und ein überraschender dazu: Das Deutsche Guggenheim mit Sitz Unter den Linden, eine der wichtigen Kunstadressen in der Stadt, schließt zum Jahresende seine Räume. Nach 15 Jahren – zweimal war im Fünfjahres-Takt verlängert worden – endet die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Bank und dem Solomon R. Guggenheim Museum in New York. Einer der renommiertesten Ausstellungsorte, der sich stets auf Augenhöhe mit den Museen der Stadt befand, geht Berlin damit verloren. Ein herber Verlust für die Kunstszene, den die Deutsche Bank am Montag gleichwohl als positive News zu verkaufen suchte: Die Halle soll fortan zusammen mit dem Atrium des Gebäudes als Forum „für den so wichtigen Dialog zwischen Wirtschaft und Politik“ genutzt werden.

Als 1997 die Zusammenarbeit zwischen dem Bankhaus und dem New Yorker Museum begründet wurde, war das der Startschuss für ein höchst ambitioniertes Ausstellungsunternehmen in privater Hand. Künstlerstars wie Jeff Wall und Anish Kapoor, die in den Museen bis dahin unterrepräsentiert waren, erhielten in Berlin endlich ein Forum. Für „Almech“, die letzte Ausstellung, verlegte Pawel Althammer eine ganze Fabrik aus Polen nach Berlin. Knapp 30 lebensgroße Figuren standen am Beginn von „Almech“ in den Räumen, am Ende waren es dreimal so viele. Ihre Gesichter waren Gipsabdrücke, die Besucher beigesteuert hatten, die Körper stammten aus den importierten Maschinen, die weiße Kunststoffwürste ausspuckten. Ein Publikumsrenner. Aber auch für Experten ein Volltreffer, denn alle schauen momentan auf die junge polnische Kunstszene.

Diese Punktgenauigkeit haben die Kuratoren seit 1997 immer wieder bewiesen. Sei es, weil sie der in Marokko geborenen Yto Barrada als „Künstlerin des Jahres“ die erste institutionelle Einzelausstellung ermöglichten und dabei mit Okwui Enwezor und Catherine David gleich zwei ehemalige Documenta-Leiter diskutieren ließen. Sei es, weil sie mit Phoebe Washburn 2007 eine Künstlerin einluden, deren absurdes Recyclingmonster „Regulated Fool’s Milk Meadow“ sich zeitgemäß mit den Themen Müll, Konsum und Überfluss beschäftigte.

Daneben gab es spektakuläre Blicke auf die Kunstgeschichte. „Colour Fields“ vom Winter 2010 zum Beispiel: als Ausstellung aus den Beständen des New Yorker Stammhauses, das die Farbfeldmalerei schon zu ihren Entstehungszeiten zeigte. Ähnlich einmalig die Einzelschau „Jackson Pollock“ 2005, die das zeichnerische Werk des Expressionisten für die Berliner zugänglich machte. Nicht zu vergessen die wunderbaren Projekte mit Künstlerkuratoren, wie sie sonst in der Stadt selten zu sehen sind.

Nach 60 Ausstellungen mit bislang 1,8 Millionen Besuchern Schluss für Guggenheim

Die Fassadenansicht Unter den Linden, Ecke Charlottenstraße, mit dem aktuellen Ausstellungsplakat
Die Fassadenansicht Unter den Linden, Ecke Charlottenstraße, mit dem aktuellen Ausstellungsplakat

© dpa

Im Sommer 2008 realisierte die Künstlerin Collier Schorr mit „Freeway Balconies“ auf Einladung der Guggenheim Foundation eine Gruppenausstellung, die als Selbstporträt wie auch als Bestandsaufnahme der Trends in der amerikanischen Kunst zu lesen war. Drei Jahre zuvor hatte schon Douglas Gordon etwas Ähnliches mit „Vanity of Allegory“ probiert – er verwob dafür Arbeiten von Andy Warhol, Frederico Fellini, Walt Disney und Marcel Duchamp miteinander.

Darüber hinaus fungierte die Deutsche Guggenheim als Schaufenster für die Sammlung der Bank mit über 50.000 Arbeiten. Die Jubiläumsschau zum 25. Geburtstag der Deutsche Bank Collection im Sommer 2005 wurde in der Ausstellungsarchitektur von Zaha Hadid präsentiert. Ein anderes wichtiges Kapitel sind die Auftragsarbeiten, mit eigens für die Sammlung geschaffenen Werken etwa von Anish Kapoor, Gerhard Richter, Jeff Koons oder William Kentridge.

Die Hintergründe für die Verlagerung des Engagements der Deutschen Bank weg von der Kunst hin zur „Wirtschaft und Politik“ sind nicht ganz klar. Die Bank selbst möchte sich nicht dazu äußern. Schon 2011 hatte sich das Geldinstitut als Hauptsponsor des Deutschen Pavillons auf der Biennale Venedig zurückgezogen. Wie andere große Unternehmen, etwa Siemens und Allianz, scheint es sich stärker auf die Bildung zu verlegen. Der Hinweis auf den kontinuierlichen Ausbau des Unternehmens in Berlin – des weltweit fünftgrößten Standorts, was die Mitarbeiterzahl betrifft – lässt dies ebenfalls vermuten. Eine Kunstgalerie umgibt trotz aller Führungen und pädagogischer Angebote stets der Ruch des Elitären. Aber die Konkurrenz für das neue Engagement ist groß: In unmittelbarer Nachbarschaft gibt es bereits zahlreiche Adressen, die sich dem „Dialog“ verschrieben haben: die Allianz-Versicherung, Bertelsmann, die DG-Bank, die Akademie der Künste. Mit der Schließung der Galerie verliert die Bank ihr Alleinstellungsmerkmal.

Das „Forum Unter den Linden“ wird fortan Angebote aus verschiedenen Bereichen machen, darunter auch der Kunst, wie der Sprecher der Deutschen Bank am Telefon nachträgt. Einen Künstler des Jahres soll es weiterhin geben, dem auch eine Ausstellung gewidmet sein wird. 2012 ist es der Slowene Roman Ondak, der nach der aktuellen Ausstellung „Found in Translation“ (bis 9. April, Tagesspiegel vom 1. 2.) im schlanken Galeriesaal Unter den Linden präsentiert wird. Auch die Auftragsarbeit von Gabriel Orozco wird noch zu sehen sein, ebenso die geplante Ausstellung von Cindy Sherman. Doch dann ist nach 60 Ausstellungen mit bislang 1,8 Millionen Besuchern Schluss für Guggenheim in Berlin.

Offen ist, wie es um die anderen internationalen Projekte bestellt ist

Anish Kapoors „Memory“ 2008.
Anish Kapoors „Memory“ 2008.

© dapd

In den nächsten Wochen wird zu klären sein, an wen nun die Auftragsarbeiten der vergangenen Jahre etwa von Kentridge, Jeff Wall oder Baldessari gehen: ans New Yorker Museum oder in die Frankfurter Bankenzentrale, in der sich bereits die Firmensammlung befindet. Von den überraschenden Veränderungen an der Linden-Adresse sind die weiteren Aktivitäten des Guggenheim in Berlin nicht betroffen. Das BMW Guggenheim Lab, ein Forschungsprojekt von Museum und Autohersteller zu Stadtentwicklung, Architektur, Kunst, Design, Wissenschaft, Technik, macht zwischen dem 24. Mai und dem 29. Juli in der Kreuzberger Cuvrystraße, Ecke Schlesische Straße Station. Danach soll die Kombination aus Ideenschmiede, Forum und Gemeindezentrum weiter nach Mumbai ziehen.

Offen bleibt, wie es um die anderen internationalen Projekte des New Yorker Museums bestellt ist, das als weltweiter Player agiert. Das Guggenheim Bilbao wird weiter bestehen; dort wurden Verträge mit der baskischen Landesregierung für die Dauer von 50 Jahren geschlossen. In Abu Dhabi sind die Museumspläne zunächst „auf Eis“ gelegt. Statt 2012 ist gegenwärtig 2017 als Eröffnungstermin angestrebt. Dafür rückt Helsinki als neuer Standort in den Fokus. Dort wurde zu Jahresbeginn eine Machbarkeitsstudie für das neue Hafenviertel vorgelegt; nun prüft man die Realisierbarkeit.

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