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Blick in den großen Saal des Berliner Konzerthauses

© dpa/Christophe Gateau

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 56): Junge Gesichter im Zuschauerraum

Ist es nur eine private Beobachtung oder schon ein Trend? Noch nie habe ich so viele junge Gesichter bei Berliner Klassikveranstaltungen gesehen wie in den vergangenen Wochen.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Bei der Programmpräsentation des „Kissinger Sommers“ erzählt die CSU-Politikerin Dorothee Bär neulich eine rührende Anekdote: Weil sie Kuratoriumsvorsitzende des fränkischen Klassikfestivals ist (Bad Kissingen liegt in ihrem Wahlkreis), bereitet sie sich jetzt schon gewissenhaft auf den Themenschwerpunkt des Sommers vor: Dann steht die deutsche (Kultur-)Hauptstadt im Fokus. Also besuchte sie mit Mann und 12-jähriger Tochter die Revue „Berlin, du coole Sau“.

Der Abend feiert die Goldenen Zwanziger, und entsprechend explizit geht es dabei zu. Als zwei nackte Tänzerinnen die Bühne stürmten, drehte sich die Tochter mit vorwurfsvollem Blick zu Dorothee Bär um und sagte: „Andere Eltern gehen mit ihren Kindern in die Oper.“

Sind das die Früchte der Educationarbeit?

Ja, dank der fantastischen Familienangebote aller Berliner Orchester und Opernhäuser tun das in der Tat viele, und die frühkindlich geprägten Sprösslinge entdecken nach der rebellischen Teenagerphase dann die Klassik erneut für sich. Das jedenfalls ist mein Eindruck: Nie habe ich so viele junge Gesichter in den Zuschauerräumen gesehen wie in den vergangenen Wochen. Wobei „viele“ für mich bedeutet: Zehn Prozent U 30-Publikum statt der üblichen fünf Prozent. Denn Klassik war nun einmal schon immer ein Genre für reiferes Publikum.

Ich habe mit Kollegen und Veranstaltern über meine beglückende Beobachtung gesprochen, und die Mehrzahl stimmte mir zu. Lediglich die Wissenschaftler:innen vom Berliner „Institut für Kulturelle Teilhabeforschung“ wollen da nicht mitgehen: Bei ihrer jüngsten repräsentativen Befragung zum Besuch von Theatern, Opern, Ballett und Klassikkonzerten gaben zwar 25 Prozent der 15- bis 29-Jährigen an, häufiger solche Veranstaltungen besucht zu habe, 33 Prozent allerdings nutzten sie weniger als zuvor.

Besonders eklatant aber ist der Rückgang bei Personen jenseits der 70 – weshalb die Wissenschaftler schlussfolgern: Wenn die Menschenmenge in den Foyers jetzt jünger aussieht, liegt schlicht daran, dass sich weniger Alte und sehr Alte Tickets kaufen. Wie deprimierend. Doch ich bleibe optimistisch. Schließlich beziehen sich die Untersuchungsergebnisse auf den Zeitraum von Sommer 2022 bis zum Sommer 2023. Mal sehen, ob die statistischen Daten für diesen Winter dann nicht doch meine These untermauern!

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