zum Hauptinhalt
Was hat Trainerstar Ralf Rangnick (rechts), was Bundeskanzler Olaf Scholz nicht hat?

© Louisa Gouliamaki/AFP, Jan Woitas/dpa

Kolumne „Spiegelstrich“: Coaching für den Kanzler

In welchen Punkten sich Olaf Scholz an Fußball-Trainer Ralf Rangnick orientieren könnte.

Eine Kolumne von Klaus Brinkbäumer

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

Eines von nicht wenigen Geheimnissen guter Texte (und Reden) ist die Kunst, zwei oder mehr Vorgänge in Bezug zueinander zu setzen, die vorgeblich nichts miteinander zu tun haben. Aber in Wahrheit eben doch. Wodurch zunächst Staunen entsteht, dann Erkenntnis.

Meisterlich beherrscht dies der Autor Malcolm Gladwell, der in einem seiner Texte zuerst über den verbotenen Hundekampf-Ring des Football-Stars Michael Vick schrieb und viele Zeilen später über die vielen Hirnschäden in der National Football League, die sich ihr Geschäft nicht durch allzu viel Forschung vermiesen lassen will - am Ende der Geschichte stand, zwingend logisch, die Folgerung, dass die NFL die Idee von Sport pervertiert hat, indem sie die Prinzipien der Dogfighting-Mafia zu den eigenen machte.

Versuchen wir diesen Kniff also auch mal. Am Dienstag war ich beim Fußball. In Leipzig, bei RB. Als lebenslang leidender, punktuell jubilierender, ewig hoffender St. Paulianer und Anhänger von Preußen Münster werde ich niemals parallel RB Leipzig lieben können.

Aber genießen. Und achten. Und in dieser einen Dienstagnacht gar bewundern.

Denn dieser Fußballclub hat etwas geschafft, wonach viele Organisationen streben: Er hat sich etwas vorgenommen, als er 2009 in der Oberliga Nordost, fünftklassig, begann, und dann tat er es. Mit viel Geld von Dietrich Mateschitz, dem Red-Bull-Gründer, aber Geld und sonstige Möglichkeiten haben andere Clubs auch, und denen gelingt‘s nicht.

Kommunikation und Kritikfähigkeit: Die Wege zum Erfolg

Wer in Leipzig erfragt, was da exakt gelungen ist, hört Wörter wie „Ralf Rangnick“, „Strategie“, „Kommunikation“ und „Kritikfähigkeit“. Eine Gemeinschaft habe der ehemalige Manager geformt, in welcher ausgesprochen werden konnte, was nicht funktionierte, ohne dass irgendwer gekränkt war, weil nämlich alle das Ziel kannten und es zusammen erreichen wollten. Und so sei geführt, justiert, perfektioniert worden.

Und ein Spiel wie das 3:2 vom Dienstag, in der Champions League gegen Titelverteidiger Real Madrid, wurde möglich und wird zu dieser Sorte kollektiven Traums, die selten ist, künstlerisch leicht und ohne die Jahre präziser Arbeit nicht denkbar.

Nun zu dem ganz anderen. Seit Tagen staune ich über Olaf Scholz, was tut er denn da? Was denkt er sich bloß?

Es geht ja nicht, dass eine deutsche Regierung Wörter wie „Doppelwumms“ in die Welt wirft und durch gewaltige nationale Subventionsvorhaben und sonstige Egotrips Paris und das übrige Europa verstört.

Es geht auch nicht, dass der Chef dieser Regierung niemals sagt, was er denkt und was er will, doch hinterher alles schon vorher und besser gewusst hat.

Es geht nicht, dass er gegen die Einwände von sechs Ministerien eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen erzwingt, wieder ohne zu sagen: warum eigentlich. Letzteres geht aus 1000 Gründen nicht. Einer davon ist, dass wir noch nicht aus der von der SPD mitverursachten Abhängigkeit von Russland herausgefunden haben; ein zweiter, dass China niemals, wie Xifan Yang in der „Zeit“ schreibt, eine ausländische Beteiligung an seiner Infrastruktur gestatten würde. Wenn sie es im Hafen von Schanghai nicht zulassen, wieso müssen wir es in Hamburg tun? Peking ist vieles, aber nicht naiv, warum wollen wir es sein? Naiver Trotz kann kein konstruktiver Antrieb sein.

Wie führt der Kanzler das Kanzleramt und seine Regierung? Da unsere zwei heutigen Themen nur vorgeblich nichts miteinander zu tun haben sollten, möchte ich Olaf Scholz heute zehn Stunden Coaching bei Ralf Rangnick empfehlen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false