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Konzerthausorchester: Ach, Amerika

Narek Hakhnazaryan nimmt Schostakowitschs 1. Cellokonzert ganz anders als üblich, und das Konzerthausorchester erinnert mit Dvoráks „Aus der Neue Welt“ daran, wofür Amerika mal stand.

Schostakowitschs erstes, für Mstislaw Rostropowitsch geschriebenes Cellokonzert lädt eigentlich dazu ein, mächtig aufzutrumpfen. Vor allem im knackigen Eingangs-Allegro, wo Solist und Orchester wie in Schnappatmung die Variationen des berühmten D-S-C-H-Motivs durchpeitschen. Ganz anders Narek Hakhnazaryan am Freitag im Konzerthaus: Der junge Armenier demonstriert eindrücklich, dass man das Stück auch ohne Super-Ego meistern kann. Zärtlich, ohne viel Druck geführt, schwebt sein Bogen über den Saiten, der Klang vermengt sich mit dem des Konzerthausorchesters, er bleibt innig mit ihm verwoben und schimmert doch immer wieder sibyllinisch daraus hervor.

Ein Ansatz, der überraschend gut funktioniert – und zum langen, celestaumflorten Klagegesang des zweiten Satzes sogar noch besser passt. Seine technische Klasse beweist Hakhnazaryan auch in den Zugaben, eine davon ein Stück des Cellisten Giovanni Sollima, vollgepackt mit elegischen Melodielinien, abschmierenden Tonhöhen, Gesang (!) und freien, ins Jazzige ragenden Rhythmen.

Dann Dvoráks „Aus der Neuen Welt“: Die galante Art von Michal Nesterowicz – der Chefdirigent des Orquesta Sinfónica de Tenerife gibt sein Debüt am Gendarmenmarkt – kommt beim Konzerthausorchester offenbar gut an. Seine Interpretation atmet Weite, auch wenn ihr, vor allem im theatralen dritten Satz, noch mehr dramatischer Biss guttun würde. Viel Zeit nimmt sich der Pole, kostet auswändig dirigierend jedes Motiv aus, was die Schönheit von Dvoráks ingeniöser böhmisch-amerikanischer Melodiemelange umso mehr zum Glühen bringt. A la Celibidache ist dieses langsame Tempo noch nicht, aber auf dem Weg dahin.

Ein Upgrade, klanglich und visuell, bedeutet der Abend auf jeden Fall für die sechs Kontrabässe, die Nesterowicz ganz oben mittig aufstellt, wo sonst das Schlagwerk alle Blicke auf sich zieht. Sie danken es ihm mit einem warmen Grundierungsbrummen, das zum Soundtrack wird für eine ganz spezielle Form von Wehmut. Sie lässt sich beim Hören des Werks ausgerechnet an diesem Tag, an dem der 45. US-Präsidenten inauguriert worden ist, nicht abschütteln. Weil Dvoráks Sinfonie daran erinnert, wie sehr mit dem Begriff „Amerika“ einstmals überschwängliche Hoffnung verbunden war. Und nicht Angst.

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