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Kunst am Bau: Der liegende Teppich am BER

Als Erstes fertig, aber immer noch nicht zu sehen: die Kunst auf der Baustelle am neuen Hauptstadtflughafen.

Heute soll es mal nicht um Pfusch am Bau, sondern Kunst am Bau gehen, versucht Karsten Mühlenfeld, der Geschäftsführer vom Flughafen Berlin-Brandenburg, den Abend locker anzugehen. Keiner lacht. Die laufenden Pannen auf der Großbaustelle werden auch vom Kunstpublikum nicht als witzig empfunden. Pech für den BER, dass ausgerechnet bei der erstmaligen öffentlichen Vorstellung der dort präsentierten Kunst am Bau das nächste Desaster einen Strich durch die Rechnung macht: zu schwere Ventilatoren, die Tragkraft der Decken ist nicht gewährleistet, keiner darf rein.

Die angereisten Besucher müssen sich die Nase an der Fensterfront der Check-in-Halle platt drücken, um etwas zu sehen zu bekommen. Irgendwo dahinter schwebt der 1000 Quadratmeter große, fliegende Teppich von Pae White über dem Entree, aus roten Aluminiumstreifen löchrig zusammengefügt. Der „Magic Carpet“ ist längst zum Sinnbild des Flughafens geworden: Hier hebt so schnell keiner ab, das ist etwas für Träumer. Dabei war die Kunst am Bau 2012 als Erstes fertig, für Künstler wie Björn Melhus ein kleines persönliches Drama.

Bereits veraltete Apps und lichterlose Lichterketten

Seine für den Flughafen entwickelte App, die das Leben einer im Terminal gestrandeten Familie für Besucher computeranimiert abrufbar macht, ist längst von den neuesten technischen Entwicklungen überholt. Es bleibt wie Olaf Nicolais gigantische Perlenkette, die sich um die Fluggastbrücke des A380 schlingt und in unterschiedlicher Stärke je nach Publikumsverkehr leuchtet. Nur erstrahlt hier nichts, schließlich steigt auch niemand ein oder aus. Die oberirdischen Eingangshallen des Regionalbahnhofs, in deren gläserne Decken und Wände der Künstler Matt Mullican seine Piktogramme eingraviert hat, liegen ebenso tot. Ein Trauerspiel. Wir können Kunst, aber niemand darf sie sehen.

Ursprünglich war die Kunst am Bau für den Flughafen gar nicht vorgesehen, alle Flächen bereits für Werbung vergeben. Das sonst zu diesem Zweck gesetzlich vorgeschriebene eine Prozent der Bausumme galt hier nicht, da das Gebäude nicht allein dem Bund gehört. Eine Intervention des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung als Minderteilhaber machte es dennoch möglich, zwei Millionen Euro standen am Ende für Kunst am Bau zur Verfügung. Angesichts der Kostenexplosion müsste die entsprechende Steigerung auch der der Kunst zugutekommen. Heute ist sie das einzige Erfolgsprojekt des BER.

Zu seinem 15. Werkstattgespräch lud das Bundesamt für Bauwesen deshalb in den Nordpier des Flughafens ein. Thema: „Quo vadis Kunst am Bau?“ Das hat durchaus etwas Bizarres angesichts der aktuellen Situation. Das Publikum sitzt eingezwängt – fast wie in einer Boeing, drei Plätze links, vier Plätze rechts. „Kunst als Repräsentation und Denkanstoß“ lautet der Untertitel der Veranstaltung. Die edle Architektur von Gerkan Marg & Partner bietet dafür die denkbar beste Kulisse, denn braucht es hier wirklich noch Kunst, überhaupt kritisches Potenzial, wo doch alle nur ans Weiterreisen denken?

Kunst, die keiner wahrnimmt

Jan Liesegang von Raumlabor ist offenkundig unzufrieden. Umweltverschmutzung, Abschiebung, all das käme in den dekorativen Werken nicht zur Sprache. Den Architekten stört, dass die Kunst am BER nur der Imagebildung dient. Sicher, der Fliegende Teppich, die dicke Perlenkette käme toll im Fernsehen. Die Kunst selbst aber werde damit zum Werbeträger für den Flughafen.

Walter Grasskamp versucht die Erwartungen runterzuschrauben. Je größer das Haus, je mehr Publikum, desto zerstreuter werde der Blick. „Niemand fragt sich, was soll das bedeuten“, zerstört der Kunstwissenschaftler die Illusion. Er empfiehlt deshalb auch für Museen ein Tempolimit. Erwiesenermaßen habe sich der Gang der Besucher durch die Ausstellungssäle um dreißig bis vierzig Prozent beschleunigt.

Moderator Christian Welzbacher stichelt auch noch mit seiner letzten Frage hinterher, warum die Kunst am Bau so einen muffigen Geschmack habe, so verstaubt rüberkäme. Statt Dauerhaftes für die nächsten hundert Jahre zu schaffen, rät Jan Liesegang zu einem Feuerwerk, einer Performance als Alternative. Walter Grasskamp versucht zu vermitteln und schlägt eine Bustour zu den gelungenen Beispielen vor, die es dennoch gebe. Die hätte man gerne auch am Flughafen kennengelernt, wenn sie denn zugänglich gewesen wären.

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