zum Hauptinhalt
Ins Schwarze. Der Zweck ist ein Holznagel, mit dem man einst Schützenscheiben befestigte. .

© Mile Cindric/Museumsstiftung Post und Telekommunikation

"Mein Name ist Hase" im Museum für Kommunikation: Krokodilstränen und Schäferstündchen

Die Ausstellung „Mein Name ist Hase“ im Berliner Museum für Kommunikation erklärt Redewendungen.

Da brat mir doch einer einen Storch! Auf Knopfdruck rappelt der Apparat los und schon spuckt der offensichtlich als Sprichwortspender fungierende Kasten ein weißes Zettelchen aus. „Das Regenwasser enthält kein Salz, das Sprichwort keine Lüge“, ist darauf zu lesen. Eine Weisheit, die nach Art von Glückskeks- Botschaften erst stark stutzen lässt, aber dann doch einleuchtet. Besonders in der Mongolei, woher dieses hierzulande bislang unbekannte geflügelte Wort laut Quellenaufdruck stammt. Das „Sprichwort-Orakel“ ist eine der Gerätschaften mit Mitmach-Appeal, die die heitere Sommerausstellung des Museums für Kommunikation in Berlin zieren.

„Mein Name ist Hase“ beschäftigt sich mit der etymologischen und historischen Herkunft von Sprichwörtern, Redewendungen und geflügelten Worten und stellt die überraschende Behauptung auf, dass jeder Deutsche im Durchschnitt tagtäglich 100 davon verwendet, ja das Sprechen ohne sie völlig unmöglich ist. Die Abscheu der 68er-Generation gegen die als spießig und verzopft geltenden Sprichwörter der Altvorderen habe sich inzwischen wieder gelegt, sagt der Germanist und Autor Rolf-Bernhard Essig aus Bamberg, der die Ausstellung konzipiert hat. „Sprichwörter sind Lebensunterricht, sie verbreiten gut Laune, selbst in den Medien sind sie nicht mehr verpönt."

Rund 300000 Sprichwörter gibt es im Deutschen

Essig, der sich auch in Edutainment-Vorträgen, Büchern und Radiosendungen mit der Herkunft von Sprichwörtern befasst, hat weit mehr als die 140 hier erläuterten Aussprüche drauf und preist sie als originellen, kraftvollen Teil des Wortschatzes. Rund 300 000 gibt es im Deutschen. In der Ausstellung werden sie nicht als dröge Deutschstunde, sondern als kindertauglicher „Rummel der Redensarten“ inszeniert. Die Holz- und Stoffoptik der in einem Sonderausstellungsraum und einigen in Schnitzeljagdmanier über die Etagen verteilten Stationen erinnert an historische Jahrmarktsbuden. Und abgesehen vom „Orakel“ kann man auch an den an ein Glücksrad erinnernden Scheiben eines „Sprichwort-Generators“ drehen oder eine „Peep-Show“ anschauen, die schlüpfrige und kriminelle Redewendungen von „Schäferstündchen“ bis zu „Dreck am Stecken“ erklärt. Thematische Bereiche wie Waffen, Kino, Körper, Theater oder Tiere geben Anhaltspunkte zum Ursprung. Die als heuchlerisch interpretierten „Krokodilstränen“ etwa gehen auf die physiologische Tatsache zurück, dass Krokodilen beim Fressen Tränen in die Augen treten. Nicht aus Trauer um ihre Opfer, sondern weil ihr Oberkiefer auf die Tränendrüse drückt.

Doch wie definieren sich denn die unterschiedlichen Aussprüche? Sprichwörter, das sind kurze, selbstständige Sätze von unbekannten Urhebern, die meist einen lehrhaften Charakter haben, sagt Rolf-Bernhard Essig. Redewendungen sind Satzteile in formelhaft feststehenden Formulierungen, wie beispielsweise „Tabula rasa“, deren Erfinder ebenfalls unbekannt ist. Geflügelte Worte gehen dagegen auf den Philologen Georg Büchmann zurück, der 1864 eine Sammlung von Zitaten und Aussprüchen veröffentlichte, die vielfach auf literarischen Klassikern oder Bibelzitaten – meist also einer bekannten Quelle – beruhen.

Den Hasen, der von nichts weiß, gibt es seit 1854

Apropos bekannte Urheber. Auch beim titelgebenden Hasen, der von nichts weiß, ist der durchaus bekannt. Der Spruch stammt von dem Heidelberger Studenten Victor Hase. Der wollte 1854 seine Kommilitonen nicht bei einer Befragung vor Gericht verraten und sagte nur „Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen. Ich weiß von nichts.“ Die Kurzform wurde schnell deutschlandweit bekannt und zum geflügelten Wort. Besonders das 19. Jahrhundert und die Reformationszeit waren fruchtbare Zeiten für die Entstehung von allgegenwärtigen Sprüchen. Doch auch die Gegenwart bringt außer Barack Obamas Motivier-Phrase „Yes we can“ welche hervor. Den erhobenen Daumen, der es in den sozialen Netzwerken als Likebutton zu Berühmtheit brachte, hat angeblich ein Hollywood-Kameramann erfunden. Das „Daumendrücken“, das in der antiken römischen Arena als Zeichen des Publikums für einen todgeweihten Gladiator verwandt wurde, war nämlich eigentlich der der Schwertform entlehnte gesenkte Daumen. Sollte der Kämpfer leben, wurde der Daumen als Symbol für das in die Scheide gesteckte Schwert von der Faust umschlossen. Das sei dem Kameramann jedoch zu wenig plakativ gewesen, weiß der Sprichwort-Experte, also erfand er den erhobenen Daumen.

Die Waffen- und Schützenzunft birgt ein reiches Areal an Bedeutungen. Schwein haben, einen Bock schießen, was verbocken, das leitet sich von der im 15. Jahrhundert bezeugten Sitte ab, Fehlschüsse als „Böcke“ oder „Ferkel“ zu bezeichnen. Auch „den Nagel auf den Kopf treffen“ oder „Sinn und Zweck haben“ meint eigentlich die Schützenscheibe. Die wurde einst mittels eines „Zweck“ genannten Holznagels aufgehängt. Traf man den Zweck, traf man das Ziel und damit „mitten ins Schwarze“.
Museum für Kommunikation, Leipziger Str. 16, bis 16. Oktober, Di 9–20 Uhr, Mi–Fr 9–17 Uhr, Sa/So 10–18 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false