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Patti Hansen in Yves Saint Laurent, Promenade des Anglais, Nice 1976. Fotografiert von Helmut Newton.

© Helmut Newton Foundation, courtesy Condé Nast

Modefotos in der Newton Stiftung: Legendäre Stars und ungeschminkte Realität

Die Newton-Stiftung gibt einen spektakulären Einblick ins Foto-Archiv des Verlages Condé Nast, der unter anderem die „Vogue“ herausbrachte.

Von Bernhard Schulz

Nicht um banale Realität geht es der Modefotografie, sondern um die Konstruktion von Wunschbildern, an die Millionen ihre Sehnsüchte hängen. Das jedenfalls haben die Modezeitschriften jahrzehntelang vermocht, und unter ihnen ragt die „Vogue“ heraus, das Zentralgestirn des New Yorker Verlages Condé Nast heraus.

1909 ist ihr eigentliches Geburtsjahr. Da nämlich erwarb sie der Verleger Condé Nast und machte sie zur geschmacksbildenden Zeitschrift der westlichen Hemisphäre. Das Archiv von Condé Nast hat zu Teilen der französische Unternehmer, Milliardär und Kunstsammler größten Stiles, François Pinault, erworben. Für sein venezianisches Ausstellungshaus Palazzo Grassi ließ er im vergangenen Jahr die Archivboxen öffnen, und Kurator Matthieu Humery wählte rund 400 Fotografien für eine Übersicht unter dem Titel „Chronorama“ aus. In einer um ein Viertel verkleinerter Fassung ist die Ausstellung in die Berliner Helmut Newton Stiftung gewandert und zeigt, so die Ankündigung, „das Fortschreiten der Zeit sowie die Bilder, die von ihr übrig geblieben sind“.

François Pinault hat das Archiv erworben

Das ist ein wenig zu hoch gegriffen, denn es sind gewiss nicht nur die hier gezeigten Bilder, die von den Zeitläuften übrig geblieben sind – aber eben auch. Und, Überraschung beim Betreten der wunderbar ruhig gestalteten Ausstellungsräume: Es ist viel mehr von den Zeitläuften zu sehen, als man unter dem Signum „Modefotografie“ erwarten würde.

Genau das macht das Genie des Verlegers und seiner Chefredakteure beiderlei Geschlechts aus: dass sie schon früh und die Realität außerhalb der aufwändigen Studioproduktionen in ihr Blatt haben eindringen lassen. Anfangs, also um 1910, war die Zeichnung das Medium der Zeitschrift. Doch sehr bald trat die Fotografie an ihre Stelle, und was jetzt in Berlin zu sehen und wahrlich zu bewundern ist, ist die Schwarz-Weiß-Fotografie auf ihrem lang dauernden Höhenkamm absoluter Meisterschaft.

David Hemmings in „Blow up“

Zahlreiche große Fotografen und später auch Fotografinnen wurden von Condé Nast angestellt, angefangen mit Baron Adolphe de Meyer, dem der große Edward Steichen folgte. Der Aufwand, den die Starfotografen treiben mussten, um Modelle und Moden in Szene zu setzen, war geradezu absurd und glich den Studiofilmen Hollywoods. Einen späten Abglanz verbreitet übrigens der Film „Blow up“, dessen Hauptdarsteller David Hemmings in der Sektion der 1960er Jahre gezeigt wird, eben in seiner Rolle als Modefotograf im damals swingenden London.

Bert Stern: Twiggy mit einem Minikleid von Louis Féraud and Schuhen von François Villon, Vogue, 1967.

© Condé Nast

Jahrzehnt für Jahrzehnt geht die Ausstellung durch, immerzu akzentuiert von Porträtfotos der Größen der Zeit, von Charlie Chaplin bis James Joyce, aber früh auch schon Paul Robeson und später James Baldwin. „Die kostbaren Artefakte repräsentieren ein spezifisches und subjektives Geschichtsbild, das die westliche Kultur- und Wirtschaftselite widerspiegelt“, heißt es im Einführungstext der in Berlin von Matthias Harder kuratierten Ausstellung, und das soll wohl der erwartbaren Kritik an der Einseitigkeit der „Vogue“-Fotografie entgegnen.

Aber es gilt doch festzuhalten, dass die ungeschminkte Realität immer wieder hervorlugt, gerne als architektonischer Meilenstein wie dem Empire State Building 1930, aber auch in Gestalt Stalins auf dem Roten Platz, übernommen von der offiziellen Agentur „Sovfoto“, die mit Mode nun wahrlich nichts am Hut hatte.

Wohlstand und Lifestyle für alle

Früh und beharrlich öffnete sich Condé Nast der Emanzipation, und es ist kein Zufall, dass gerade die große dokumentarische Fotografin Margaret Bourke-White junge Tennisspielerinnen „auf einer Dachterrasse vor der Skyline von Manhattan“ festhielt. Das war 1931. Ein Jahrzehnt später zogen Fotografinnen wie Lee Miller in den Krieg, kurz nachdem Horst P. Horst noch ein neckisches Titelbild aus einem die Buchstaben von „Vogue“ formenden Bademodenmodell gezaubert hatte. Dass Angehörige des „Frauen-Hilfskorps“ der U.S. Army 1943 einträchtig unter Trockenhauben saßen, wie Tony Frissell festhielt, lässt sich rückblickend als Hinweis deuten, dass der Zweite Weltkrieg auch mit dem Versprechen von Wohlstand und Lifestyle für alle gewonnen wurde.

Die 1960er waren dann noch einmal eine Hoch-Zeit der Modefotografie, Irving Penn ihr Superstar. Schon tritt Helmut Newton in Paris auf die Bühne und revolutioniert, was zuvor nur Glanz und Glamour war. Andy Warhol und die Beatles nehmen teil, und die Titelblätter der Zeitschriften werden schrill und vor allem farbig.

Ganz am Ende der Ausstellung in einem kleinen Nebengelass ist eine ganze Wand mit bunten Titelbildern tapeziert. Farbe hat ihren eigenen Reiz, aber sie ist nicht mehr Gegenstand dieser Ausstellung. Die ist eine Hommage an Schwarz-Weiß und die Imaginationskraft des Fotoapparats. Und keine Angst, Marlene Dietrich ist als Stil-Ikone selbstverständlich und mehrfach vertreten. Wir sind schließlich in Berlin.

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