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Die Frisur ist das geringste Problem an Donald Trump.

© AFP/Kerem Yucel

Kolumne "Spiegelstrich": Nach all den Worten die Tat

Vier Jahre lang hat Donald Trump die Demokratie in den USA gefährdet. Letztlich war das System stärker als er - aber es war knapp.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer. In seiner wöchentlichen Kolumne „Spiegelstrich“ betrachtet er das Verhältnis von Sprache und Politik.

Diktaturen und Autokratien brauchen es für das eigene Überleben, dass der Herrscher anders betrachtet wird als andere Menschen. Irgendwann wird er verklärt und dämonisiert, geliebt und gefürchtet, wird übergroß. 

Dazu gehört, dass die Schwächen, die narzisstischen, wirren oder auch dummen Seiten des Herrschers wegrationalisiert und wegnormalisiert werden – auch weil die Ermöglicher, jene Menschen, die die Macht stabilisieren, natürlich die eigene Unterwürfigkeit rechtfertigen müssen.

Knappe vier Jahre lang regierte Donald Trump, und seine Verteidiger, auch in Deutschland, sagten vier Jahre lang, er sei halt anders, sei halt kein Politiker, sei authentisch, halte seine Versprechen. Die Leugnung all dessen, was vier Jahre lang offen da lag, ließ Trump Gesetze, Verträge und Normen brechen. In den Tagen von Trumps Niederlage braucht es nun Analyse und Ausdifferenzierung, denn diese vier Jahre waren gefährlich.  

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Trump hat viel gelogen, über 20.000 mal im Amt, und nicht jeder Tweet war eine Nachricht, vieles bloßer Lärm. Vier Dinge aber waren existenziell, erstens: Er hat die Pandemie klein geredet, fand Abstandhalten unmännlich und sagte, auch Masken seien etwas für politisch korrekte Schwächlinge, den Feind, die Demokraten; das vorläufige Resultat sind 238.000 Tote in den USA. 

Er hat, zweitens, während der Black Lives Matter-Wochen gesagt, dass „linksfaschistische Horden“ das Land niederbrennen würden, was erfunden war und Teile des Landes dann tatsächlich in Brand setzte. Dass sein Vorgänger Barack Obama, die Demokraten, die Medien und der „deep state“ ihn vernichten wollten, sagte er drittens, und dies entzog der politischen Welt von Washington die Grundlagen der Zusammenarbeit, nämlich Respekt, Vertrauen und guten Willen. Trump hat viertens seit Monaten vom kommenden Wahlbetrug geredet, von den angeblichen Bedrohungen durch die Briefwahl.

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

Er hat dadurch jenen Coup vorbereitet, den er in den vergangenen Tagen vollziehen wollte. „Ich habe leicht gewonnen“, rief er bereits, als noch gar nichts feststand. Dann tat er, als sei an der Tatsache, dass er nach den ersten Stunden der Auszählungen in Führung lag und nach fortschreitenden Auszählungen, also jenen der Briefwahl (welche wegen Covid-19 die bevorzugte Methode der Demokraten war), in Rückstand geriet, etwas seltsam und verbrecherisch. 

„Stoppt alles Wählen“ rief er, später „Stoppt die Auszählungen“, und Trump verlangte die Unterstützung seiner Partei, die duldend schwieg, bis sie sich noch am Samstag via Twitter entschied, dem Präsidenten zur Seite zu stehen im Feldzug gegen eine „gestohlene Wahl“.

Sein Sohn verlang den "totalen Krieg"

Worte wirken. Trumps Sohn Don Jr. verlangte (als hätte irgendwer außer Papi ihm ein Mandat erteilt) den „totalen Krieg“ gegen das Wahlergebnis, und auch wenn der Vater den Sohn einst „nicht das schärfste Messer in der Schublade“ nannte, könnte der Junior doch wissen, dass es einen „totalen Krieg“ schon mal gab. Stephen Bannon, einstiger Stratege Trumps und heutiger Talk-Radio-Moderator, verlangte die „Enthauptung“ des Epidemiologen Anthony Fauci.

Trump aber redete nicht nur. Seine Partei hatte vor der Wahl Millionen von Menschen das Wahlrecht genommen und zu nehmen versucht, und nach der Wahl schickte der Präsident seine Anwälte los, die ein Ende der Auszählungen zu erzwingen versuchten. Es war der Versuch eines Herrschers, die Demokratie außer Kraft zu setzen in jenem Moment, in welchem dem Herrscher das Ergebnis nicht zusagte.

Dieser Herrscher hatte Helfer: den Vizepräsidenten, die Minister, Juristen, Journalisten, die Familie. Es ist eine gute Nachricht, dass die Demokratie stärker war, doch es war knapp genug.

Klaus Brinkbäumer

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