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Bobby Womack (1944-2014).

© dpa

Nachruf auf Bobby Womack: Der tapferste Soul Man des Universums

Hits, Krisen, Drogen: Soulmusiker Bobby Womack hatte ein turbulentes Leben. Jetzt ist der Sänger und Gitarrist mit 70 Jahren gestorben.

Ein schwarzes Auto rollt durch Harlem. Man sieht nicht, wer darin sitzt, nur einen braunen Koffer auf dem Beifahrersitz. Dass diese Eröffnungsszene von Barry Shears 1972 gedrehtem Thriller „Across 110th Street“ keine harmlose Spazierfahrt zeigt, macht der nervös pulsierende Song mit dem gleichen Titel klar, der zu den Bildern zu sehen ist. Bobby Womack singt darin über Harlem, das hinter der 110. Straße beginnt. Eine finstere Ghetto-Skizze mit hymnischem Refrain.

Das von Womack und J. J. Johnson geschriebene Lied hat den Sänger 25 Jahre später – er war schon etwas in Vergessenheit geraten – noch einmal ins Pop-Bewusstsein zurückgeholt: Quentin Tarantino verwendete es in seiner Blaxploitation-Hommage „Jackie Brown“. Immer wieder gab es in der Karriere des 1944 in Cleveland geborenen Sängers und Gitarristen solche Momente des Wiederauftauchens – und mindestens ebenso viele tragische.
Begonnen hat Bobby Womack in einer Gospelformation mit seinen vier Brüdern. Sam Cooke holt sie 1960 zu seiner Plattenfirma SAR. Bald wenden sie sich weltlicher Musik zu und bringen unter dem Namen Valentinos 1964 den Song „It’s All Over Now“ heraus, später ein großer Hit für die Rolling Stones.

Nur drei Monate nach dem Tod seines Mentors Sam Cooke im selben Jahr heiratet Womack dessen Witwe – nicht nur wegen des Altersunterschiedes der beiden ein Skandal in der Black-Music-Welt. Womack taucht erstmal als Session- Musiker und Songwriter für Kollegen ab. Er begleitet unter anderem Aretha Franklin, Ray Charles und Sly & The Family Stone, schreibt Hits für Wilson Pickett und Janis Joplin. Sein Solo-Debüt „Fly Me To The Moon“ erscheint erst 1968 und ist ein beeindruckender Beweis der Meisterschaft des Mannes, der einer der einflussreichsten Soulmusiker seiner Generation ist. Es folgen eine Reihe starker Alben, darunter „Understanding“ (1972) und „The Facts Of Life“ (1973).

Nachdem sein Bruder Harry 1974 erstochen wird und zwei Jahre später sein Sohn aus zweiter Ehe schon als Kleinkind stirbt, gerät Womack in eine kreative Krise. Jahrelang kämpft der selbsterklärte „Last Soul Man“ mit seiner Drogensucht und muss 1986 auch noch den Selbstmord seines 21-jährigen Sohnes Vincent verkraften. Er nimmt weiter Platten auf, doch ein überzeugendes Comeback gelingt ihm erst 2012 mit der Hilfe von Damon Albarn, der ihn zunächst als Gastsänger seiner Gorillaz engagiert und anschließend zusammen mit Richard Russell sein Album „The Bravest Man In The Universe“ produziert. Bereits gezeichnet von einer Krebserkrankung, Diabetes und Alzheimer bündelt Womack auf den elf mit elektronischen Beats unterlegten Liedern noch einmal seine Kräfte, singt über Vergebung und Vergeblichkeit und findet so den würdevollen Schlussakkord seines turbulenten Musikerlebens. Jetzt ist Bobby Womack mit 70 Jahren gestorben.

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