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Peter Radszuhn (1954-2014)

© dpa

Nachruf auf Peter Radszuhn: Weiterhören, wiederhören

Musiker, Moderator, Radiomacher: Zum Tod von Peter Radszuhn, der seit 1997 Radio-Eins-Musikchef war und den Sound Berlins mitgeprägt hat.

Diese Stimme. Heiser, fast krächzig. Eigentlich keine Radiostimme, konnte man denken. Völlig falsch natürlich, diese Einschätzung: Peter Radszuhns Stimme war ein Markenzeichen von hohem Wiedererkennungswert. Ein halber Satz genügte, und es war klar, hier sendete der Radio-Eins-Musikchef.

Seit der Gründung des Programms 1997 war Radszuhn maßgeblich für dessen musikalisches Profil verantwortlich. Die holperige Anfangszeit, in der die teils völlig verschiedenen Vorstellungen einstiger ORB- und SFB-Mitarbeiter aufeinanderprallten, wurden ausgestanden und der unverwechselbare Radio-Eins-Sound entstand. Eine Mischung aus vierzig Jahren Rock- und Popgeschichte und viel neuer Musik. Peter Radszuhn hat es anlässlich des 15. Geburtstags von Radio Eins einmal so beschrieben: „Musik mit Wurzeln, Musik von Bands mit historischem Bewusstsein. Ich sage immer: Wer früher die Stooges oder The Clash gehört hat, der erschrickt sich nicht vor Franz Ferdinand oder den Strokes – im Gegenteil.“

Peter Radszuhns eigene Wurzeln lagen in der Gitarrenmusik. Rock, Blues, Folk, Punk, New Wave und alles Artverwandte – er hatte ein großes Musikherz, war ein leidenschaftlicher Plattenkäufer, der mit leuchtenden Augen von seinen Funden in London oder New York erzählen konnte, aber auch mal beim Potsdamer Vinylhändler vorbeischaute. Genauso lebhaft und detailreich konnte er noch Jahre später von seinen Begegnungen mit Stars wie David Bowie, Neil Young oder Bob Geldof berichten. Young gehörte zu Radszuhns größten musikalischen Helden, und als dieser mit seiner Band Crazy Horse für das Doppelalbum „Psychedelic Pill“ den von Radio Eins und Tagesspiegel verliehenen „Soundcheck Award“ für das beste Album 2012 erhielt, war er natürlich bei der Preisverleihung dabei.

Peter Radszuhn kam 1954 in Berlin zur Welt. Nach Abitur, Studium und einem Jahr als Haus-DJ des Kreuzberger Clubs SO 36 gründete er 1978 die Band Tempo, deren Gitarrist er war. Die Gruppe mischte Rock-, Punk- und New-Wave- Einflüsse, gesungen wurde auf Deutsch und Englisch. Nach dem Ende der Gruppe 1982 wechselte Radszuhn die Seiten, arbeitete in der Musikbranche, leitete ein Festival und kam 1989 zum Radio. Sechs Jahre war er Programmgestalter und Musikredakteur beim SFB. Nach einem Jahr als Musikchef beim ORB baute Radszuhn 1997 den neuen Sender Radio Eins mit auf, dessen Musikchef er bis zu seinem Tod war. Vor sieben Jahren rief er zusammen mit Moderator Andreas Müller die Sendung „Soundcheck – Das musikalische Quartett“ ins Leben, die in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel jeden Freitag vier neue Alben vorstellt. Auch Peter Radszuhn war gelegentlich in der Runde dabei.

Peter Radszuhn sendete immer mittwochs seine "Prime Cuts"

Weiterhören und wiederhören – Radszuhn hatte seine Antennen ständig auf Empfang. Sein überschaubar großes Büro im Potsdamer Radio-Eins-Gebäude war von Platten- und CD-Stapeln geprägt, im Auto lief Musik, zu Hause sowieso. Eines seiner Wochenendrituale bestand darin, eine Platte aus seiner großen Sammlung zu ziehen, sich vor die Boxen zu setzen und noch mal ganz genau zuzuhören. Bei den wöchentlichen Abhörsitzungen der Radio-Eins-Musikredaktion war Radszuhn häufig selbst dabei. „Als Musikchef habe ich ein Veto-Recht, aber es passiert weitaus häufiger, dass ich einen Song ins Programm hieve, als dass ich sage, wir spielen etwas nicht“, sagte er über diese Schaltstelle, die die neuen Songs in jenes Musikprogramm bringt, für das Berlin und Brandenburg außerhalb des Sendegebietes von Radio Eins vielfach beneidet werden.

Peter Radszuhn hatte selber mit den „Prime Cuts“ mittwochs von 21 bis 23 Uhr einen festen Platz im Programm (am Mittwoch wird es ihm zu Ehren ein Special zu dieser Zeit geben). Unter dem Motto „Good rockin’ tonite! From me to you, straight to your heart!“ stellte er neue Platten, zu Unrecht Vergessenes und Raritäten vor. Egal ob Rock, Roots, Reggae, Punk, Pop, Folk oder Country – in dieser so persönlichen wie kompetenten Sendung ging Radszuhn auf musikalische Exkursionen, die wie am vergangenen Mittwoch von einer Countrylegende wie Bobby Gentry über Lucinda Williams und die Jayhawks bis hin zu einer New Yorker Dream-Pop-Band wie Blonde Redhead führen konnten.

Fünfzig zu werden, habe ihm nichts ausgemacht, sagte er Anfang des Jahres. Sechzig hingegen finde er ziemlich heftig. Nun ist er in der Nacht zum Samstag mit sechzig Jahren gestorben. Peter Radszuhns heisere Stimme wird fehlen – in Berlin, Brandenburg und in der Rockwelt.

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