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Blick in die Stände der Galerien Pietro Sparta und Mennour auf der jüngsten artmonte-carlo.

© Baptiste Janin

Nah am Wasser: Kleine Messen überzeugen mit klugen Konzepten

Weshalb trotz aller Konzentration auf dem globalen Kunstmarkt auch Messen im Boutique-Format eine Chance haben.

Von Eva Karcher

Das Potenzial hier ist groß, gerade entsteht eine internationale Sammlerszene in Lissabon.

Tim Geissler, Galerist

„Imagine, there is no heaven”. John Lennons unsterblicher Song , der mit dieser Zeile beginnt, wurde für die französisch-italienische Design-Sammlerin und Händlerin Celine Marcato zur Inspiration für ihre grandios modernistische Villa „Imagine“ mit atemberaubendem Blick über die Bucht von Roquebrune-Cap Martin. Seit vielen Jahren sammelt die Vintage-Expertin Tische, Stühle, Sessel, Sideboards, Leuchten, Vasen und Spiegel italienischer Klassiker und mixt sie mit Arbeiten zeitgenössischer Stars, so der Brüder Fernando und Humberto Campana zu raffinierten Interieurs. Während der artmonte-carlo, die am vergangenen Wochenende stattfand, lud das französische Auktionshaus Artcurial Kunden und Kunstfreunde ein, um die zum Teil spektakulären Objekte vor Ort zu besichtigen; 90 Stücke aus Marcatos Kollektion versteigert Artcurial am 19. Juli.

Besuche bei Sammlern und in Künstlerateliers, exklusive Empfänge in Galerien und Dinners an exzentrischen Orten zählen längst zum Standardprogramm, mit denen Kunstmessen ihre VIP’s außerhalb der Hallen - in Monte Carlo ist es das Forum Grimaldi - locken. Doch nirgendwo lässt sich Savoir-vivre so entspannt zelebrieren wie in den meeresnahen Regionen des Südens: Glamourös an der Côte d’Azur, rustikal zur ARCOlisboa in Lissabon, wild-romantisch während der Nomad Capri am Golf von Neapel oder pittoresk auf der spanischen Insel Ibiza während der CAN in Dalt Vila, die nun zum zweiten Mal stattfindet.

Die genannten Messen suchen das Boutique-Format und begrenzen ihre Teilnehmerzahlen wie die Arco Lissabon, die rund 80 Aussteller einlud. Noch minimalistischer positionieren sich die artmonte-carlo und die CAN Ibiza mit etwa je 30 Galerien. Gerade ein Dutzend Händler plus eine Kooperation mit dem italienischen Luxuslabel Gucci versammelt die Nomad Capri in der Certosa di San Giacomo, einem Kartäuserkloster aus dem 14. Jahrhundert.

Auch die Top-Galerien interessieren sich für Nischen-Messen

Alle Veranstalter legen Wert auf die Internationalität der Aussteller und ein möglichst hohes Qualitätsniveau der Werke. Die Galeristen mischen die Genres, in der Regel bildende Kunst, zeitgenössisches Design und Juwelen, dazu präsentieren sie Skulpturen und Installationen in den Außenräumen. Sie bieten ihren Besuchern einen Stilmix, der diese animieren soll, Kunst, Design und Luxusobjekte ein wenig wie teure Souvenirs zu erwerben.

Selbst globale Top-Player präsentieren sich auf diesen Nischen-Messen, etwa der siebten Ausgabe der artmonte-carlo. Das Schweizer Imperium Hauser & Wirth, White Cube aus London, Obadia, Mennour, Almine Rech und Perrotin mit Stammsitz in Paris ebenso wie die von Berlin aus agierenden Händler Esther Schipper und Aeneas Bastian, waren mit ihren Verkäufen und neuen Kontakten zufrieden. Wie die New Yorker Galeristen LGDR und van de Weghe war Bastian zum ersten Mal auf der Messe. „Jedes Jahr heben wir das Niveau weiter an“, erklärt Messedirektor Thomas Hug und verweist auf die parallelen, exzellenten Museumsausstellungen. Sechs- und siebenstellige Summen werden inzwischen für Werke auf der Messe bezahlt. Doch die meisten Arbeiten verkaufen sich im Bereich zwischen 15.000 und 60.000 Euro.

So auch auf der Arco in Lissabon Ende Mai, die bei sommerlichen Temperaturen zum sechsten Mal stattfand. 13.000 Besucher kamen in die schmalen, über 350 Meter langen Hallen der Cordoaria Nacional, einer Fabrik, in der früher Marineseile hergestellt wurden, um Galeristen wie Cristina Guerra, Filomena Soares oder Helga de Alvear zu treffen. Weil hier auch städtische Institutionen und Stiftungen verlässlich kaufen, strahlten nicht nur die einheimischen, sondern auch einige der aus Deutschland angereisten Galeristen, so Carlier Gebauer aus Berlin, Livie aus Zürich und die Münchner Britta Rettberg und Jahn und Jahn. Jene kombinierten auf ihrem Stand erfolgreich Arbeiten von Isa Genzken und Stefan Vogel. In ihrer großen Galerie in der Altstadt präsentierte Partner Tim Geissler, der die Lissaboner Dependance führt, eine Soloshow des iranischen Multimediakünstlers Navid Nuur. „Das Potenzial hier ist groß, gerade entsteht eine internationale Sammlerszene in Lissabon, so Geissler.

Was man von Capri noch nicht behaupten kann. Doch die Nomad, gegründet von Giorgio Pace und Nicolas Bellavance-Lecompte, hat wie der Name signalisiert, ein Modell ohne festen Standort entworfen. Rund um den Globus wählt sie architektonisch außergewöhnliche Gebäude in möglichst spektakulärer Natur, wie die Chesa Planta in Samedan im Engadin, wo sie vor zehn Jahren startete. „Wir sind wie eine Art wandernde Vitrine“, meint Pace. Die CAN (Contemporary Art Now) positioniert sich dagegen zum zweiten Mal mit 38 Galeristen in den Messehallen in Dalt Vila. Das Layout der Kojen ist großzügig, die Standmiete günstig: Für 30 Quadratmeter zahlt man 8000 Euro.

Die CAN auf Ibiza muss an ihrer Qualität arbeiten

Aus Leipzig ist die Galerie Kleindienst angereist, vertreten ist ebenso die Galerie Ruttkowski 68 mit Standorten in Köln, Düsseldorf, Paris und New York. Auch die Kopenhagener Galerie Martin Asbaek ist vor Ort, die Brüsseler Galerie Ballon Rouge, Veta aus Madrid, die Lundgren Gallery aus Palma und als prominentester Teilnehmer The Hole aus New York. Sergio Sancho, der spanische Gründungsdirektor der Messe, erzählt, man wolle Ibizas Image als Partyinsel korrigieren: „Ibiza besitzt ein vielfältiges kulturelles Erbe, wir wollen es mit zeitgenössischer Kunst in die Gegenwart führen“. Dem mediterran bunten Lebensgefühl der Insel entspricht, dass der kroatische Kurator Sasha Bogojev den Schwerpunkt „figurative Malerei und Skulptur“ als Auswahlkriterium vorgab.

So flaniert man am Eröffnungsabend im Rhythmus von hämmerndem Discosound an vielen Bildern vorbei, die mehr oder weniger nackte Körper hyperrealistisch und hysterisch bunt oder in hybrid-surrealer Auflösung der Konturen inszenieren. Auch die Ästhetik von Oskar Schlemmers statuarischer Plastizität oder die der Art Brut imitieren manche Künstler. Immerhin könnte man die Ferienvilla mit solchen Werken günstig für Summen zwischen 2000 und 30.000 Euro dekorieren. Auch in Ibiza gibt es großes Potenzial für eine Messe zeitgenössischer Kunst. Am Konzept und an der Qualität muss allerdings noch gearbeitet werden (bis 16. Juli, CAN Ibiza, contemporaryartnow.com).

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