zum Hauptinhalt
Sarah Bernhardt, 1864 fotografiert von Nadar.

© imago/AGB Photo/via www.imago-images.de

Nationalidol und Weltstar: Sarah Bernhardt, die Göttliche

Vor hundert Jahren starb Sarah Bernhardt. Eine Pariser Ausstellung feiert die große Schauspielerin. Marcel Proust war von ihr wenig beeindruckt.

Als Sarah Bernhardt vor hundert Jahren, am 26. März 1923, starb, sollen mehr als eine halbe Million Menschen die Straßen von Paris gesäumt haben, um einen Blick auf die Trauerkarosse zu erhaschen, in der sie zu ihrer letzten Ruhestätte auf dem Friedhof Père Lachaise gebracht wurde. Die Schauspielerin war ein Nationalidol und ein Weltstar, mit ihrem alles überstrahlenden Ruhm gewissermaßen eine Vorläuferin späterer Ausnahmekünstlerinnen wie Madonna oder Marlene Dietrich.

Im Pariser Petit Palais wurde jetzt eine Ausstellung eröffnet, die mit mehr als 400 Exponaten – darunter Kostüme, Gemälde, Devotionalien und die stilprägenden Plakate von Alphonse Mucha – das Leben der Diva nachzeichnet. Die Bernhardt, 1844 als uneheliches Kind einer Kurtisane in Paris zu Welt gekommen, debütierte als 18-Jährige an der Comédie-Française, wo sie nach einem Streit mit einer Kollegin gleich wieder rausflog.

Bald aber wurde sie für ihre Hosenrollen gefeiert, sie gründete ihr eigenes Theater und tourte mit ihrer eigenen Schauspieltruppe durch Europa, Amerika, Ägypten und sogar Australien. Victor Hugo rühmte ihre „Goldene Stimme“. Als nach einer Knieverletzung ihr rechtes Bein amputiert wurde, trat sie mit einer Prothese auf. Ihre ersten Film drehte sie als „Hamlet“. Shakespeare, Racine, Alexandre Dumas d. Ä., das waren Dramatiker, in deren Stücken sie glänzte.

Marcel Proust beschreibt in seiner „Suche nach der verlorenen Zeit“, wie er in jungen Jahren einem Matineeauftritt von Sarah Bernhardt entgegenfieberte, nachdem er auf einer Anschlagsäule die Ankündigung entdeckt hatte, dass sie noch einmal ihre Paraderolle als Racines „Phädra“ spielen werde. Im Roman nennt er sie „La Berma“. Doch das Theatererlebnis wird für ihn zu einer „großen Enttäuschung“.

Dem Enthusiasten gelingt es nicht, in ihrem Spielen und Sprechen „kluge Hervorhebungen und schöne Gesten“ zu finden. Bei der Lektüre des Stücks zu Hause hatte er sich „ganz neue überraschende Töne“ vorgestellt. Eine Szene, in der sie in grünlichem Licht vor einer Dekoration, die das Meer darstellen soll, den Arm bis zur Höhe ihres Gesichts hebt, hält er für effekthascherisch und abgeschmackt. Auch, dass er sich das Opernglas von seiner Großmutter geben lässt, hilft nicht. „Ich vermeinte nun, nicht mehr die Berma vor mir zu haben, sondern ihr Bild in einem Vergrößerungsglas“.

Aber am Ende stellt sich bei dem jungen Marcel doch noch „ein Gefühl der Bewunderung“ ein. Als laute Beifallsbekundungen durch den Zuschauerraum donnern, schließt er sich ihnen an, in der Hoffnung, dass die Schauspielerin aus Dankbarkeit sich selbst überträfe. Paradox, aber wahr: Er möchte, dass dieser mittelprächtige Nachmittag niemals endet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false