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Torres (bürgerlich Mackenzie Scott) outete sich 2021 auf einem Tweet als non-binär.

© Ebru Yildiz

Neues Album von Torres: Wut, Drama, Panik – alles muss raus

„What An Enormous Room“ von Indierock-Musiker*in Torres klingt wie ein „Best of“ aus den vorausgegangenen fünf Alben – und zeigt doch ganz neue Facetten.

Gedämpft und verletzlich – so klang das Debüt von Mackenzie Scott alias Torres vor mehr als einem Jahrzehnt. Alle nachfolgenden Werke waren geprägt von Variation und Neuerfindung. Aus folkigen Indie-Arrangements wurde erst Pop-Trance, dann Grunge-Rock und die allgegenwärtige E-Gitarre musste hier und da einer Drummachine und Synthesizern weichen.

Mit dem üppigen und dynamischen „What An Enormous Room“ scheint Torres nun den eigenen Stil gefunden zu haben. Das sechste Studioalbum vereint die introspektiven Balladen über menschliche Abgründe ihrer früheren Werke und den exzentrischen Elektro-Rock aus „Thirstier“ (2021) – „the best of both worlds“ könnte man sagen, denn Torres stehen beide Facetten.

„Das ist der Wut-Song, den ich seit Jahren schreiben wollte“

Dass sich Torres – non-binär und US-Amerikaner*in – auf der neuen Platte von der lang bewährten Introspektion entfernt und sich stattdessen mehr nach außen wendet, zeigt die Lead-Single „Collect“. Hier scheint der gesamte Zorn, der sich in 33 Lebensjahren angestaut hat, herausgeschrien zu werden.

Für „What An Enormous Room“ spielte Torres selbst Gitarre, Bass, Synthesizer, Drummachine, Orgel und Klavier ein.
Für „What An Enormous Room“ spielte Torres selbst Gitarre, Bass, Synthesizer, Drummachine, Orgel und Klavier ein.

© Ebru Yildiz

Scott wuchs als Adoptivkind bei einer streng gläubigen Baptistenfamilie in den Südstaaten der USA auf. Mit einer gespaltenen Haltung zu der christlich-konservativen Erziehung fühlte sich Scott von vielen Menschen in ihrem Umfeld unverstanden und erfuhr früh, wie sich Ungerechtigkeit anfühlt.

Wanna know what’s next? / Colossal success / Justice is coming / Know it and relax

Torres im Song „Collect“.

Die Musik war es, die geholfen hat, zu einer neuen Identität zu finden, sagt Torres heute: „In ,Collect’ geht es darum, der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Das ist der Wut-Song, den ich schon seit Jahren schreiben wollte“, sagt Torres im Deutschlandfunk Kultur. Das Ergebnis: eindringlicher Rock, begleitet von verzerrten Gitarren und stechenden Klavierakkorden.

Getragen werden die zornigen Lyrics von Torres’ tiefer, kraftvoller Stimme, die an manchen Stellen nahezu bedrohlich klingt. Nicht zuletzt das Spiel mit der Laut-Leise-Dynamik, ein typisches Indierock-Stilmittel, macht „Collect“ zu einem klassisch-guten und gleichzeitig wenig innovativen Song.

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Ganz wie Idol Kurt Cobain hat auch Scott eine Wucht in der tiefen, gebieterischen Stimme, die jedem Titel eine übergroße Portion Theatralik verleiht: Drama, Drama, Drama. Keine Überraschung also, dass Fan-Foren voll von Erzählungen darüber sind, wie die Zuhörenden in schwierigen Lebensphasen mit den im Song beschriebenen Emotionen mitfühlen konnten.

Mit der Wut, der Trauer, der Angst, der Verzweiflung. All diese Gefühle bekommen einen Klang, eine Melodie, wenn Mackenzie Scott ans Mikrofon tritt. „Ich glaube, die Dramatik meiner Stimme und Live-Auftritte, rührt von den vielen Musicalerfahrungen“, sagt Scott, heute in New York ansässig, und einst auf den Musical-Bühnen von Nashville aktiv.

Die Musical-Theatralik ist geblieben

Auch dass Scott bei dem allsonntäglichen Gottesdienst oder im Altenheim von nebenan vor Publikum sang, ist heute nur schwer vorstellbar. Nach dem Umzug nach Brooklyn, entschied sich Scott nicht für den Broadway, sondern die E-Gitarre und ließ sich nicht entmutigen, als das Label 4AD 2018 frühzeitig den Plattenvertrag auflöste.

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Ganz ohne schwermütige Gefühle kommt auch dieses sechste Album nicht aus – und das sollte es vielleicht auch gar nicht. Denn fröhliche Good Vibes-Songs passen nicht zu der nachdenklichen Person, die hinter den Texten steckt. Auch da, wo mitunter eine euphorische Stimmung aufblitzt, schwingt auch immer eine Spur Melancholie mit. Zum Beispiel, wenn Torres wie in „Wake To Flowers“ davon singt, dass der unausweichliche Tod der Eltern und die Einsamkeit neben der Liebe zur Partnerin verblassen.

Though my usual tricks aren’t working /And our only world is burning /And even what is only real in my head / Destroys me, are we all doomed / To fulfill this prophecy?

Torres singt in „I got the fear“ über das beklemmende Gefühl im Moment einer Panikattacke.

Doch trotz beklemmender Lieder wie „I Got The Fear“, das die Erfahrung einer Panikattacke beschreibt, ist dies die optimistischste Torres-Platte. „Ich wollte einen Raum der Hoffnung schaffen. Menschen Kraft geben“, sagt Torres. Das ist gelungen, denn der Kampfgeist ist nicht zu überhören.

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