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Louis Hofmann als Cioma Schönhaus in „Der Passfälscher“.

© dpa

NS-Kinodrama „Der Passfälscher“: Übermut und Lebenshunger

Maggie Peren erzählt in „Der Passfälscher“ eine Hochstaplergeschichte. Ihr Held Cioma Schönhaus tarnte sich, um die NS-Zeit zu überleben.

Eine Wohnung kann ein Refugium sein. Aber auch eine Mausefalle. Für Cioma Schönhaus, den Protagonisten von Maggie Perens Biopic „Der Passfälscher“, wird es immer gefährlicher, sich dort aufzuhalten. Der Film setzt im Herbst 1942 ein, kurz nachdem seine Eltern aus Berlin in das Vernichtungslager Majdanek deportiert wurden.

Cioma, 19 Jahre alt, kann in der großen stuckverzierten Altbauwohnung bleiben, weil er in einem Rüstungsbetrieb Zwangsarbeit leistet. Allerdings darf er sich nur noch in einem Zimmer aufhalten, die anderen Räume werden von einem Polizeibeamten versiegelt.

Über das Verbot setzt er sich hinweg und beginnt, die vom nationalsozialistischen Staat beschlagnahmten Sachen seiner Eltern zu verkaufen. Kerzenständer, Kleidungsstücke, Bettwäsche, alles findet reißenden Absatz bei den Marktfrauen, die Ciomas Freund Det eingeladen hat.

Monate später, am Ende des Films kehrt Cioma noch einmal für eine Nacht in die „entjudete“ und leergeräumte Wohnung zurück. Da ist er schon untergetaucht und wird von der Gestapo steckbrieflich gesucht. Es ist Winter, frierend kauert er sich auf den Dielenboden und bemüht sich, kein Geräusch zu machen. Jeder Schritt könnte ihn verraten.

Von den bis zu 7000 Jüdinnen und Juden, die in Berlin während des Zweiten Weltkriegs untertauchten, haben etwa 1700 die Befreiung erlebt. Cioma Schönhaus war einer von ihnen. „Der Passfälscher“ beruht auf den gleichnamigen Memoiren, die er 2004 veröffentlichte.

Bevor er 2015 mit 92 Jahren starb, hat er Interviews gegeben, die in den Dokumentarfilm „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ einflossen. Auch Meggie Peren konnte noch mit Schönhaus sprechen, als sie mit der Arbeit am „Passfälscher“ begann. Er habe sich, sagte sie in einem Interview, für einen „unglaublichen Glückspilz“ gehalten.

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Louis Hofmann, bekannt geworden mit Filmen wie „Tom Sawyer“ oder „Freistatt“ und der Science-Fiction-Serie „Dark“, spielt den jungen Cioma Schönhaus mit einer Mischung aus Übermut und Lebenshunger.

Um zu überleben, wird er zum Fälscher und Hochstapler. Schönhaus hat für einige Monate eine Kunstgewerbeschule besucht, träumt davon, ein Maler zu werden. Nun kopiert er als erstes den Stempelabdruck mit Hakenkreuz-Adler auf dem Siegelpapier zum Schlafzimmer der Eltern.

Bald darauf bekommt Cioma Kontakt mit dem Juristen Franz Kaufmann (Marc Limpach), der zur Bekennenden Kirche gehört und Verfolgte mit gefälschen Papieren versorgt. Seine Aufgabe: Passfotos austauschen und die Stempellinien nachzeichnen.

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Das erledigt er zunächst noch etwas schlampig, später mit immer größerer Akribie. „Gute Fälschungen sind im Grunde wie Kunstwerke“, sagt Kaufmann. Außerdem warnt er: „Wenn die Gestapo klingelt, würde ich Sie bitten, sich aufzuhängen.“

Denn spätestens in dem Moment, als der Fälscher mit seinem ebenfalls jüdischen Freund Det (Jonathan Berlin) beschließt, in den Untergrund zu gehen, wird alles lebensgefährlich, was sie unternehmen. Jede Straßenbahnfahrt mit einer manipulierten Kennkarte, jeder Spaziergang in einem Mantel, an dem der „Judenstern“ fehlt, kann mit der Verhaftung enden.

Det Kassriel ist Schneider, er besorgt ihnen Luftwaffen-Uniformen, mit denen sie in ein Nachtlokal ausgehen. Sie flirten und tanzen, geben sich zackig und Cioma zitiert einen Spruch, den er beim Friseur aufgeschnappt hat: „Wenn alle sich krankschreiben lassen, werden wir den Krieg nie gewinnen.“ Die Uniformen, die sie sich angeeignet haben, machen sie für ein paar Stunden so unverwundbar wie einst den Hauptmann von Köpenick.

Interessant ist „Der Passfälscher“, weil er die auftretenden Figuren nicht in Täter und Opfer, Helden und Versager einteilt. Schönhaus kommt auch deshalb mit heiler Haut davon, weil er Hilfe von Menschen bekommt, bei denen er sie gar nicht erwartet hat.

Ausgerechnet Frau Peters (Nina Gummich), eine systemkonforme, stets mit „Heil Hitler“ grüßende Blockwartswitwe, wird zu einer Art Rettungsengel. Als sich jüdische Nachbarn vergiftet haben, um der Deportion zu entgehen, lässt sie Cioma und Det die Leichen wegschaffen, mit der Begründung: „Das hat schon seine Richtigkeit, wenn Sie Ihresgleichen dann auch wegräumen“. Doch später verschafft sie Cioma einen Wehrmachtsausweis, den er für die Flucht braucht.

Ohne helfendes Netzwerk kann kein Verfolgter ein Terrorregime überleben. Eine Zeitlang schlüpft Schönhaus bei seiner Geliebten Gerda (Luna Wedler) unter, die er beim Tanzen kennengelernt hat. Erst Wochen später offenbart sie ihm, selbst eine untergetauchte Jüdin zu sein. Als Kaufmanns Widerstandsgruppe zerschlagen wird, ist Cioma auf sich allein gestellt.

Aus Schönhaus Erinnerungsbuch ließen sich zehn Spielfilme machen, hat Maggie Peren konstatiert. Ihr Biopic bricht ab, als Schönhaus sich entschließt, Berlin zu verlassen. Als Wehrmachtssoldat getarnt gelangt er per Fahrrad über Stuttgart in die Schweiz. Sein Freund Det, Gerda und Franz Kaufmann werden ermordet.

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