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Eric Clapton

© ddp

Autobiografie: Nüchtern betrachtet

Eric Clapton, der Rock-Gigant wider Willen, hat seine Autobiografie geschrieben: „Mein Leben“.

„Clapton is God“ – dieses Graffiti aus Londons swinging sixties hat nie gestimmt, einerlei, ob man an ein höheres Wesen glaubt oder nicht. Der so Vergötterte mochte sie nie. Im Gegenteil, den 1945 in der englischen Provinz geborenen und bei seinene Großeltern aufgewachsenen Musiker hat die Fan-Parole ein Leben lang bedrückt. In seiner schlicht „Mein Leben“ betitelten Autobiografie, gewissermaßen kurz vor Eintritt ins gesetzliche Rentenalter geschrieben, räumt Clapton mit allen Mythen auf, die sich um sein und seiner Musikerfreunde Leben ranken, um am Ende des Buches erfüllt zu sein von einem „tiefen Gefühl der Befriedigung, nicht über das, was ich erreicht habe, sondern eher über das, was mir gewährt wurde“.

Gewährt – was für ein bescheidenes Wort für einen Superstar. Aber es wirkt als Quintessenz nach 300 Seiten Lebensbericht keineswegs kokett. Clapton kennt die Abgründe, an deren Rand er so viele Male gestanden hat. Und gerade weil sein Buch viel eher eine Lebensbeichte ist und weit weniger der Blick hinter die Kulissen, den treue Clapton-Fans durch all dessen musikalische Verwandlungen hindurch wohl erwartet hätten, bildet allein die Chronologie den roten Faden, nicht aber eine Dramaturgie des Erzählens.

Zwei kleine Sätze auf Seite 270 liefern einen Schlüssel zu dessen Verständnis. Da ist einerseits die Rede vom Tod der geliebten Großmutter Rose Amelia Clapp – der das Buch, neben der jetzigen Familie, gewidmet ist – Ende 1994: „Sie war immer eine feste Größe in meinem Leben gewesen, hatte mich bedingungslos geliebt und in allem unterstützt.“ Andererseits kommt die Kehrseite des Claptonschen Wesens zum Vorschein: „Bis meine Trinkerei einen Keil zwischen uns trieb, hatten wir ein wunderbares Leben...“

Die Suche nach dem verlorenen Paradies der Kindheit ist ein in Memoiren geläufiger Topos. Clapton lässt ihn nur dezent anklingen; das macht sein Buch umso symphatischer, wie überhaupt der zurückhaltende Ton für den Autor einnimmt. Während Bob Dylan in seiner Autobiografie „Chronicles“ den Mythos des geheimnisumwitterten Weltweisen pflegt, zeigt sich Clapton als großäugiger Junge, der vom Strudel der Popwelt mitgerissen, emporgetragen und beinahe auch davongeschleudert wird, der seinen eigenen Erfolgen – zumindest rückblickend – nicht traut und unter der Bürde leidet, stets vorne stehen zu sollen. So einfach erklärt er beispielsweise das seinerzeit unverständliche Auseinanderbrechen der immens erfolgreichen Gruppe Blind Faith, die schon bei ihrem allerersten Konzert – noch ehe ihre einzige Platte erschienen war – 100 000 Besucher in Londons Hyde Park lockte. Er fand es angenehmer, nach der anschließenden Mega-Tour mit der Vorgruppe Delaney & Bonnie auf Wanderschaft zu gehen. Back to the roots: auch das klingt an.

Sicher, die Fans der frühen Jahre bekommen, was sie erhoffen: Einzelheiten über die wilde Zeit mit den Yardbirds, mit der – unübertroffenen – Supergroup Cream, mit der kurzlebigen Blind Faith. Man liest – erwartbare – Worte über „die ganze Stigwood-Maschinerie mit ihrem mir aus Cream-Zeiten verhassten Hype“ und erkennt einmal mehr, wie bedeutsam die Rolle der übermächtigen Manager in den Sechzigern war, hier diejenige Robert Stigwoods. Man liest aber auch Sätze wie den, dass es Clapton für die Rolle als Frontman „nicht an Talent, aber an Selbstvertrauen mangelte“. Das ist ein Schlüsselwort, das immer wieder auftaucht: Mangel an Selbstvertrauen.

Und damit verbunden ist die große Last seines Lebens, die er endlich, nach vielen vergeblichen Anläufen, abschütteln konnte: die Sucht. Weniger nach harten Drogen, die so gut zum Image des Popgranden gepasst hätten, schon gar nicht nach Psychedelika, sondern nach Alkohol. „Zum Beispiel hatte ich immer eine Flasche Wodka unter der Fußmatte im Auto“, heißt es einmal – ein Bekenntnis, das sich beliebig vermehren lässt. Der Held, ein Säufer? Es bedrückt, dass Clapton bei etlichen Aufnahmen, von Tournee-Auftritten ganz zu schweigen, schlichtweg betrunken war.

Bis im Januar 1982 der endgültige Zusammenbruch erfolgte, dann der Weg in eine amerikanische Suchtklinik – „man übertrug mir Aufgaben, von denen die einfachste lautete, mein Bett selbst zu machen, was ich noch nie zuvor getan hatte“, danach zu Therapeuten und wieder in die Klinik. Und da, beim zweiten Mal, „wusste ich, allein würde ich es nicht schaffen, also bat ich um Hilfe, sank auf die Knie und kapitulierte“.

Böse Zungen haben angemerkt, Claptons Musik sei früher besser gewesen. Im Buch verschiebt sich die Perspektive tatsächlich von der Musik weg auf die endlosen, den Leser denn auch ermüdenden Beziehungsdramen, vor allem mit Pattie Boyd (die „Layla“, die er George Harrison ausgespannt hatte). Immerhin erlaubt das Bankkonto, in aller Herren Länder Häuser und Stadtwohnungen zu kaufen, die bewohnt und verlassen werden. Berührend ist der Einschub über den Tod seines Sohnes Conor, die Frucht einer kurzen, alsbald frostigen Affäre. Der viereinhalbjährige Junge fiel in New York aus einem Fenster im 53. Stock. Verewigt ist das tragische Unglück in „Tears in Heaven“.

Ja, die Musik. Die Musik blieb „das Einzige, das immer für mich da war“. Und Musik heißt für Clapton: der Blues. Der bleibt Vorbild ein Leben lang. Immer wieder, zuletzt 2004, wendet er sich dem Werk Robert Johnsons zu („Me & Mr. Johnson“). Clapton zeigt sich in seiner Autobiografie als Künstler, der sein Herzensziel nie erreicht hat – und gleichwohl quasi im Nebenbei einer der größten Musiker wurde, die die Popszene je kannte. Seine Platten, vor allem seine Songtexte wird man nach der Lektüre anders und besser hören. Wie sie zustande kamen, tut ihrer bleibenden Qualität keinen Abbruch.

Eric Clapton: Mein Leben. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2007. 347 S., Abb., 19,90 €.

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