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Peter Urban kommentiert in Liverpool seinen letzten Eurovision Song Contest.

© dpa/Christian Charisius

Peter Urbans letzter Songcontest: Abschied ohne Reue

Die meisten Künstler, die er in einem Vierteljahrhundert ESC begleitete, sind vergessen. Doch der Kommentator selbst geht als lebende Legende.

Peter Urban ist schon mal vorgeflogen. Bis zum Finale des Eurovision Song Contest sind es da noch einige Tage. Er aber steht bereits in der Arena in Liverpool, in der es überall leuchtet, blinkt und klingt, schaut Künstlerinnen, die seine Enkeltöchter sein könnten, bei den Proben zu und bereitet sich vor auf seinen eigenen finalen Auftritt.

Er ist gekommen, um Tschüs zu sagen. Liverpool ist vielleicht die letzte Dienstreise seines langen Berufslebens. Seit 50 Jahren arbeitet er als Musikjournalist fürs Radio und fürs Fernsehen, seit mehr als einem Vierteljahrhundert kommentiert er den ESC. Noch einmal, dann ist Schluss. Urban hört auf – ganz freiwillig.

Die meisten Künstler, deren Auftritte er in den vergangenen Jahrzehnten begleitet hat, sind vergessen. Urban aber geht als lebende Legende.

Als ich Freunden von dem Angebot erzählte, haben die gesagt: Das kannst du doch nicht machen.

Peter Urban über seine Anfänge beim ESC

25 Mal hat er den Wettbewerb dann live im Fernsehen begleitet. Dabei könnten die Gegensätze größer kaum sein: Hier die Show, die auffallen will, wo Windmaschinen für heiße Luft und schrille Auftritte für Gesprächsstoff sorgen. Da Peter Urban. Ein älterer Herr mit grauem Haar, Typ Vertrauenslehrer, promovierte mit einem Text über die „Poesie des Rock“. Wie konnte das so lange so gut gehen? Das mit dem ESC und Peter Urban? 

„Gedacht war das ja nur als einmaliger Auftritt“, erzählt Urban im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Damals, am 3. Mai 1997 in Dublin. Im Jahr zuvor war Deutschland erstmals nicht im Finale vertreten gewesen, die Show nur im dritten Programm übertragen worden. Der NDR suchte einen neuen Kommentator und wurde im eigenen Haus fündig. 

„Als ich Freunden von dem Angebot erzählte, haben die gesagt: Das kannst du doch nicht machen“, erinnert sich der 75-Jährige. Denn eigentlich war er in der Musikszene bekannt für seine herausragenden Kenntnisse im Bereich Pop und Rock, für seine ernsthafte und liebevolle Beschäftigung mit Musik.

Seit den 1970er-Jahren moderiert er im Radio. Sendungen wie „Musik für junge Leute“ hatten Kultstatus. „Es kommen immer noch Leute zu mir und sagen, dass das ihr eigentlicher Musikunterricht war“, erzählt Urban stolz.

Sein Gespür für junge Talente ist legendär und er kennt sie alle. Er war beim ersten Auftritt von Jimi Hendrix in Europa dabei, interviewte David Bowie, Bruce Springsteen oder Joni Mitchell, ist mit Udo Lindenberg befreundet. 

Und dann kam also der ESC, wo 1997 eine gewisse Bianca Shomburg mit einem Lied von Ralph Siegel für Deutschland antrat. „Ich habe es gemacht, weil ich den sportlichen Wettbewerbscharakter interessant fand“, erzählt der bekennende Fußball-Fan.

„Es hat mich gereizt, eine Veranstaltung zu kommentieren, bei der man nicht weiß, was am Ende rauskommt, welches Drama, welche Überraschung passiert.“ Und dann hat es ihm einfach „sehr, sehr gut gefallen“.

Spricht man mit Peter Urban über Musik, fällt eines auf: Der Mann kennt keine Grenzen. Er legt sich nicht fest auf ein Genre, einen Stil, eine Epoche. Er ist weder Schlageronkel noch Altrocker. „Ich bin niemand, der sagt, dass früher alles besser war. Ich finde diese Einstellung, die auch viele meiner Altersgenossen haben, absolut falsch.“ Er will entdecken, erklären, begeistern. 

Der Musiklehrer der Nation

Seinen streng katholischen Eltern hätte das gefallen. Die wünschten sich für den Jungen aus Quakenbrück, dass er Lehrer wird. Heute ist Peter Urban der Musiklehrer der Nation. 

Vermutlich liegt darin auch eines der Geheimnisse seines ESC-Erfolges. Urban hat Ahnung von dem, was er tut. Als Zuschauer merkt man, hier ist keiner, der auf die nächste Pointe lauert oder den nächsten Stolperer – und wenn’s doch passiert, reagiert er humorvoll.

Vor allem freut er sich selbst darüber, neue Musik, neue Künstler kennenzulernen. Vielleicht beruhigt er bei manchen am Fernseher auch ein letztes, kleines schlechtes Gewissen: Wenn Peter Urban dabei ist, kann der ESC gar kein Trash sein.

Er übergibt einen Songcontest, der größer, bekannter und vielseitiger ist als bei seiner Premiere 1997. Auch sein Verdienst? Niemals würde er das behaupten. „Aber vielleicht habe ich es geschafft, die Aufmerksamkeit auf den ESC auch in den Jahren, in denen Deutschland nicht so gut abgeschnitten hat, aufrechtzuerhalten oder noch zu vergrößern.“

Er weiß sehr wohl, dass es Zuschauer gibt, die nur seinetwegen einschalten. Und wegen seines feinen Spotts. Auch wenn nicht jeder Spruch ein Treffer war. 1998 beschrieb er den Beitrag der Malteserin Chiara mehrdeutig als „runden Auftritt“. „Das würde ich heute nicht mehr machen.“

Ein letztes Mal wird er nun in seine kleine Sprecherkabine oben unter dem Hallendach gehen. Schon aufgrund mehrerer missglückter Hüftoperationen eine Herausforderung. Hat er sich einen Abschiedsgruß zurechtgelegt? „Nee, noch nicht. Wahrscheinlich wird am Ende in der ganzen Hektik und dem Jubel gar keine Zeit dafür bleiben.“ Eine Sekunde lang zögert er. „Aber irgendwas werde ich mir schon noch überlegen.“

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