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Erdnussflipfarben. Susanne Betancor, Jahrgang 1964, ist zugewanderte Kreuzbergerin.

© Promo/Christine Fenzl

Popette Betancor feiert im BKA: Sie ist blond

Kann man einer Sängerin trauen, die ihr neues Album "Mein Herz will sich schlagen" nennt? Aber unbedingt! Nicht von ungefähr feiert Susanne Betancor, bekannt als Popette, parallel zum Erscheinen der CD auch noch 25-jähriges Bühnenjubiläum. Tusch für eine Größe der Kleinkunst.

Sie ist blond. Wow. Das überrascht, war nicht zu erwarten. Wenn eine brünett war, dann sie, so richtig aus vollem Herzen brünett. Ja, geradezu dunkelbraun-schwarz, wie es sich gehört für eine halbe Spanierin aus dem Ruhrpott. Nun ist sie auf ihrem Album, dem sechsten, mit dem Titel "Mein Herz will sich schlagen" leichthäuptig zu sehen, nämlich mit lichten Fransen. Sie, die Popette, wie sich die 1964 in Neuwied geborene und in Essen aufgewachsene Sängerin, Autorin und Komponistin Susanne Betancor aus Missfallen an der Berufsbezeichnung "Chansonette" seit vielen Jahren nennt.

Jahrgang 64? Dann muss sie doch... Stimmt, auch Susannes werden fünfzig, so viel ist sicher, wenn auch geheim, aber wenigstens Popetten nicht. Das bei der Albumpremiere am Mittwoch im BKA-Theater kurzerhand mitgefeierte Bühnenjubiläum der Popette beträgt nur zarte 25 Jahre. Ein Vierteljahrhundert auf der Kleinkunstbühne - so viel Konstanz schaffen nur Große oder Zarte und vor allem notorische Genrezwitter wie Popette. Die zwar Lieder mit komischen Texten singt, aber keine Komikerin sein will. Die zwar Jazz macht, aber keine Jazzerin sein will. Die Erdnussflips auf und im Kopf trägt, wo andere Kollegen in Routine ergrauen. Die nach dem Balladen-satten und Melancholie-schwangeren Album "Kein Island" (2012) mit "Mein Herz will sich schlagen" jetzt leicht geworden ist, schwingend und schwebend, so wie die flockige, von Gitarre und Percussion vorangetriebene Eingangsnummer "Schön", in der sie einen feuchtfröhlichen Abend besingt: "Es war so schön gestern Nacht so richtig schön / Es hat zwar nicht viel gebracht, aber schön."

Sie spielt mit Helge Schneider, textet für Max Raabe

"Hat nicht viel gebracht" - das lässt sich auf die 1989 nach Berlin eingewanderte und beim Musiktheater "College of Hearts" eingestiegene Karriere der Popette nun aber gar nicht ummünzen. Betancors Wirken umfasst zwölf Konzertprogramme und nunmehr sieben Alben, Theater- und Kabarettproduktionen mit Georgette Dee oder Käthe Lachmann, den Roman "Damenbart", diverse Kurzgeschichten, einen Prix Pantheon, einen Deutschen Kleinkunstpreis und zahllose Kooperationen mit anderen Künstlern - von Helge Schneider, in dessen Band die Multiinstrumentalistin vor mehr als 25 Jahren ihre Musikerlaufbahn startete, bis zu Max Raabe, für den sie einen Song getextet hat

Für andere texten oder komponieren, das ist eine unsichtbare, aber ziemlich umfängliche Schaffensseite der auch als Malerin aktiven Susanne Betancor. Deswegen besingen sie am Mittwoch auch Freunde wie Gustav Peter Wöhler, Danny Dziuk, Cora Frost oder David Moss unter dem Motto "Popette - Du bist Gold". Im Internet ist ein Album angekündigt, auf dem 15 Freunde Betancor-Lieder singen, darunter auch Maren Kroymann und Josef Hader, die es diesmal jedoch nicht ins BKA-Theater schaffen. Dem Unterm-Dach-Theater am Mehringdamm ist sie seit mehr als 20 Jahren verbunden. Dort hat sie in seligen Jugendtagen zusammen mit Ades Zabel zu den trashigen Improshows „Dicke Eier“ und „Schnäppchenmarkt“ mit Actionpainting und Ausdruckstanz geladen.

Ihr Antrieb ist der Zweifel

Das mit der Subkultur, das hat sich bei Popette, die ihre Alben auf dem mit ihrer Partnerin Susanne Benedek betriebenen Eigenlabel "Kurtbuero" herausbringt, wohl mal in der Performance, aber eigentlich nie sehr in der Musik niedergeschlagen. Da ist die lakonische Melancholikerin ganz seriös. Ihre aus Seeed-Schlagzeuger Based, dem Gitarristen Dirk Berger, der Pianistin Clara Haberkamp und der Kontrabassistin Ulla Oster bestehende Band macht auf "Mein Herz will sich schlagen" rundum fein ausdifferenzierte, schön arrangierte akustische Musik, die deutlich, aber nicht nur Jazz-orientiert ist.

Und die Texte? Die sind genauso brüchig, wie man sie schon von der brünetten Popette kennt, die sich "nach Menschen sehnt, die es nicht gibt und nach Orten, die man nicht kennt". Das ist nun nicht zum wundern, wenn sie in Interviews wie eh und je "Zweifel" ihre Haupttriebfeder nennt. Darunter auch notorische Selbstzweifel, wie sie im halluzigenen Wabersound des Songs "Baggersee" aufscheinen. Oder zwischen den üppigen Pianoharmonien der Nummer "Schwer", die mit Zeilen wie "Alles läuft schief, was duften soll mieft" das ewige Lamento von ernsten Nöten verschonter Großstädter ironisiert. Klar, ist die Nicht-Komikerin Popette immer auch eine Satirikerin. Auch in blond. Und dann gibt es da noch Susanne Betancor, die Tagträumerin, die Weiter-Dichterin von Alltagsminiaturen. Die gerät an der Supermarktkasse beim Anblick eines Rückens so ins Schwärmen, dass sie die Person gleich mal mit dem Einkaufswagen anfährt. "Ich steh hinter dir an der Kasse schau aufs Band / Deine Waren und dein Rücken setzen mich in Brand." Auch eine Form der Kontaktaufnahme, die sogar Erfolg hat: "Ich steh hinter dir wo ich eben schon stand und / Ohne zu zahlen geh'n wir Hand in Hand". Ein Happy-End, wie es so wunderlich nur die Betancor bereit hält.

BKA-Theater, Mehringdamm 34, Kreuzberg, Mittwoch 17. Dezember, 20 Uhr

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