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Stiftungspräsident Hermann Parzinger und Esther Moombolah, Direktorin des Nationalmuseums in Namibia, packen eine Puppe in die Transportkiste.

© Thomas Imo/photothek.net

Preußenstiftung gibt 23 Objekte an Namibia zurück: Die Zukunft kann nur gemeinschaftlich sein

Namibische Wissenschaftler wählten die Puppen, Ketten, Trinkgefäße aus. Ihre Rückkehr markiert den Beginn einer Partnerschaft.

Eine kleine Sensation vollzieht sich gerade bei den Staatlichen Museen: Nach den spektakulären Rückgaben der Säule von Cape Cross durch das Deutsche Historische Museum, der Bibel und Peitsche von Henrik Witbooi durch Baden-Württemberg und der Gebeine von 82 Herero aus den Sammlungen der Charité und anderer wissenschaftlicher Institutionen in Deutschland macht nun auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz diesen Schritt. 23 Objekte aus dem Ethnologischen Museum gehen endgültig zurück nach Namibia. Wenige Tage vor ihrer Abreise nach Windhoek werden ausgewählte Stücke noch einmal kurz in Dahlem präsentiert, wo sie sich im Depot befanden.

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Das Ungewöhnliche an dieser Restitution aber ist der Auswahlprozess. Im Rahmen des von der Gerda-Henkel-Stiftung mit 400 000 Euro geförderten Forschungsprojekts „Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures“ konnten Wissenschaftler aus Namibia ihre eigene Wahl unter den 1400 Objekten treffen, die während des Kolonialismus über deutsche Anthropologen, Militärangehörige oder Missionare ans Berliner Völkerkundemuseum gelangten.

„Die Objekte sehen auf den ersten Blick nicht spektakulär aus“, sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger bei der Präsentation, „aber sie sind es!“ Für die Forschung in Namibia besitzen die Exponate eminente Bedeutung, insbesondere jene, die für das am 1. Juni eröffnende Museum of Namibian Fashion in Ojiwarongo bestimmt sind. Darunter befinden sich zwei Puppen, eine Kinderhalskette, ein Schildkrötengehäuse samt Tasche zur Aufbewahrung von Parfüm, ein Trinkgefäß aus verziertem Straußenei und ein lederner Kopfschmuck mit Eisenperlen für Frauen.

Von einem Ovaherero-Mädchen hergestellte Puppe.
Von einem Ovaherero-Mädchen hergestellte Puppe.

©  Claudia Obrocki

In Namibia sollen die Objekte nicht nur eine Lücke in der kulturellen Erzählung des Landes schließen und im Rahmen von Workshops Erinnerungen wieder wachrufen, sondern auch einen kreativen Prozess anstoßen. Wie schon bei dem im Humboldt Forum ausgestellten imponierenden Kleid der namibischen Modedesignerin Cynthia Schimming, das durch eine der nun zurückgehenden Puppen inspiriert wurde, sollen fortan auch im Lande Designer:innen angeregt werden.

Die Gerda-Henkel-Stiftung stellt knapp 700.000 Euro bereit

Ihre Entwürfe gehen ins National Museum of Art in Windhoek ein. Diese zweite Projektphase wird abermals von der Gerda-Henkel-Stiftung unterstützt, diesmal mit knapp 300 000 Euro, nachdem bereits das Depot des Nationalmuseums renoviert sowie eine Restauratorin und eine Museologin eingestellt wurden.

„Es wird in Zukunft nicht anders möglich sein, als kollaborativ zu arbeiten“, betonte auch Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, und verwies auf weitere Gemeinschaftsprojekte am Humboldt Forum mit Forschern aus Tansania, Nigeria, Amazonien und Papua-Neuguinea. „Das Wissen liegt bei den Namibierinnen“, ergänzte Projektleiterin Julia Binter. Für eine neue Geschichtsschreibung sei es unerlässlich.

Die Rückgabe ist kein Verlust, sondern ein Neubeginn

Gemeinsam mit Esther Moombolah, der Direktorin des Nationalmuseums in Windhoek, stellte sie die zurückgehenden Objekte vor, darunter auch jene Puppe, die Königin Olugondo von Ondonga der mit ihr befreundeten Missionarin Anna Rautanen zur Hochzeit geschenkt hatte. Deren Ehemann verkaufte sie 1909 dem Berliner Völkerkundemuseum, die Verbindung nach Namibia war damit unterbrochen und kann jetzt erst wieder aufgenommen werden.

Für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bedeutet die Rückgabe keinen Verlust, sondern Fortschritt auf dem Weg zu einer gemeinschaftlichen Forschungsarbeit. Zugleich wirft sie ein neues Licht auf die für dieses Jahr angekündigte Restitution der Benin-Bronzen an Nigeria.

Auch bei den Benin-Bronzen wählen die Partner aus

Präsident Parzinger erklärte auf Nachfrage deutlich den Willen der Preußenstiftung zur „vollständigen Eigentumsrückübertragung“, die Abwicklung liege nun beim Auswärtigen Amt und der Kulturstaatsministerin, es fehlten nur die Unterschriften.

Trotzdem sollen einzelne Exponate in Berlin verbleiben und ab Herbst im Humboldt Forum zu sehen sein, wenn der zweite Ausstellungsteil des Ethnologischen Museums eröffnet. Welche es sein werden, entscheiden die nigerianischen Partner – wie nun auch bei der aktuellen Rückgabe nach Namibia.

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