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Sinnsucher. Choreograf David Simic (links) und Pianist Ohad Ben-Ari in einem Cafe in Mitte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Deutsch-israelisches Musikfest: Radialsystem lädt zum vierten ID-Festival

I wie Israel, D wie Deutschland: Das Radialsystem lädt zum vierten ID-Festival unter dem Motto „Next Generation“. Ein Vorbericht.

Sie ist 13, und sie trägt dasselbe Etikett wie einst Mozart: Sie gilt als Wunderkind. Alma Deutscher, 2005 in Basingstoke als Tochter einer englischen Organistin und eines israelischen Sprachwissenschaftlers geboren, hat mit sechs Jahren eine Klaviersonate komponiert, mit neun ein Violin- und mit zwölf ein Klavierkonzert. Auch ihre erste abendfüllende Oper war zu dem Zeitpunkt bereits vollendet, „Cinderella“. Da passt sie natürlich gut auf ein Festival, das dieses Jahr das Motto „Next Generation“ trägt. Wobei Alma Deutscher nicht selbst zum israelisch-deutschen ID-Festival ins Radialsystem kommt, das an diesem heutigen Freitag startet. Aber eine Suite aus ihrer Oper wird aufgeführt, als Ballett.

Die Choreografie dazu hat David Simic entwickelt. Nicht nur die Komponistin ist sehr jung, sondern auch die Tänzerinnen und Tänzer: Simic leitet die Kinder Ballett Kompanie Berlin, in der sich Sechs- bis 18-Jährige erproben können. Der 34-Jährige war selbst Tänzer im Staatsballett Berlin. „Ich war überrascht, wie erwachsen Alma Deutschers Musik klingt, voller Liebe und Emotionen, ein bisschen wie Mozart oder Strauss“, sagt er. Es fiel ihm leicht, dazu eine Choreografie zu finden: „Die Ideen kamen ganz schnell.“

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Was ihm besonders gefällt, ist ein moderner, feministischer Zug: Cinderella ist in Deutschers Oper, auf der die Ballettsuite basiert, eine Komponistin, die Handlung spielt im Theater. Der Prinz wählt sie, weil er ihre Melodie wiedererkennt, nicht weil der Schuh passt. Heißt: Aschenputtel gewinnt sein Herz nicht wegen ihres Aussehens, sondern wegen ihres Talents. Kombiniert wird die Suite (Sa 19 Uhr und So 15 Uhr) mit Auszügen aus Tschaikowskys „Nussknacker“; auch hierfür hat Simic eine eigene Choreografie entworfen.

Id ist auch das arabische Wort für "Fest"

Gegründet wurde das Festival 2015 von dem Pianisten Ohad Ben-Ari, um eine Plattform zu schaffen für in Berlin lebende israelische Künstlerinnen und Künstler. Um zeigen zu können, welch kreatives Potenzial mit Einwanderung verbunden sein kann. Berlin ist bei jungen Israelis beliebt, als Reiseziel, aber auch als Wohnort. „Die Stadt ist in Israel eine Marke“, sagt Ben-Ari, der seit 1990 nicht mehr dort lebt und das Land von außen beobachtet. „Die Touristen tragen die Botschaft nach Hause, dass das Berlin von heute nichts mehr mit dem Berlin der Nazi-Zeit zu tun hat, dass die Vergangenheit aber gleichzeitig nicht zur Seite geschoben wird.“

Der Name des Festivals könnte besser nicht gewählt sein, bringt er doch mit nur zwei Buchstaben gleich drei Botschaften unter: ID, das sind die Anfangsbuchstaben der beiden Länder, um die es geht. „Id“ ist auch das arabische Wort für „Fest“ – und Israel ist allen Konflikten zum Trotz von der arabischen Kultur geprägt. Im Englischen ist ID außerdem die Abkürzung für Identity Card, Personalausweis. Die Frage nach der Identität ist für Israelis, die das Land verlassen, eine zentrale, deshalb widmete sich der erste Festivaljahrgang diesem Thema. 2016 ging es um Migration, 2017 um Integration. Und jetzt um die „Next Generation“.

Das Publikum erwartet weniger Stars als Experimente und neue Formate

Ohad Ben-Ari hat in vier Festivaljahren manches gelernt. Zum Beispiel, dass große Namen im Radialsystem eher nicht so gut funktionieren. Dass das Publikum anderes erwartet: Experimente, junge Künstler, neue Formate, die Mischung der Formen und Genres. Darauf reagiert er etwa mit der fünfteiligen Serie „Piano Combo“. Die Pianistin Tamar Halperin und der Produzent Guy Sternberg haben sich davon inspirieren lassen, dass nach Erik Saties Tod in dessen chaotischer Pariser Wohnung zwei Konzertflügel gefunden wurden – aufeinandergestapelt. Jetzt zerlegen sie seine Kompositionen, legen die Stimmen anders übereinander, kombinieren sie mit Improvisationen und Klängen von Debussy, John Cage und Chick Corea (diesen Freitag, 22 Uhr).

Matan Porat konzentriert sich auf das Licht im Konzertsaal und spielt in einem Zug Stücke von Schumann, Liszt, Skrjabin und Adès, während Lichtdesigner Jörg Bittner den Ablauf eines Tages simuliert (Sa 21 Uhr). Ben-Ari selbst wird mit seiner Frau Anastasia Shevchenko Klaviermusik und Yogaübungen verweben, das Publikum darf und soll mitmachen (So 13 Uhr).

Mit einer Performance startet das Festival auch: Regisseur Micki Weinberg, der 2015 mit dem Kurzfilm „I Hear the Synth in East Berlin“ und 2016 mit dem Stück „Makembko!“ dabei war, eröffnet dem deutschen Publikum eine neue Sicht auf den Shabbat. Der bedeutet nämlich nicht nur, dass alle Arbeit ruht, um Gott zu ehren. Eigentlich wohnt ihm ein utopisches Moment inne, er soll die nötige innere Ruhe ermöglichen, um das Olam Ha-Bah zu erspüren, einen Ausblick auf die „nächste Welt“, die Zukunft. Geplant ist unter anderem ein gemeinsames, „immersives“ Abendessen (am heutigen Freitag, 19 Uhr).

Viele junge Israelis sympathisieren auch mit den Palästinensern

Die Weltlage ist dramatisch, Rechtspopulisten regieren mittlerweile in vielen Ländern, die Migration bringt auch den Israelis in Deutschland neue, unter Umständen schwierige Nachbarn. Auch darum werden sich die Gespräche auf dem Festival drehen. Ohad Ben-Ari weiß, dass das Reden über Israel komplizierter geworden ist. Das Land gilt nicht mehr unbedingt als cool, wie noch 2015. Auch weil immer deutlicher wird, dass die Regierung kein Interesse hat an einem vernünftigen Ausgleich mit den Palästinensern, die wiederum untereinander völlig verfeindet sind. Das Problem wird immer größer.

Ben-Ari kann nachvollziehen, dass viele in der „Next Generation“ mit den Benachteiligten sympathisieren, mit den Palästinensern; auch Facebook und andere digitale Quellen spielen dabei eine Rolle. „Wir müssen härter arbeiten, um für ein Festival zu werben, das auf deutsch-israelischer Zusammenarbeit und Freundschaft basiert“, sagt er. Und macht unermüdlich weiter. In naher Zukunft möchte er das Festival auch in Tel Aviv präsentieren.

ID-Festival, 12. bis 18. Oktober, Radialsystem, Infos: www.idfestival.de

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