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Der Berliner Plattenladen Dodo Beach East.

© IMAGO/Müller-Stauffenberg

Record Store Day: Opfer des eigenen Erfolgs

Aus einer schönen Idee, wie man mehr Menschen in Plattenläden lockt, ist ein Kommerz-Event geworden, bei dem die Ware Vinyl und nicht die Liebe zur Musik gefeiert wird.

Eine Kolumne von Nadine Lange

Eigentlich wollte ich am Samstag endlich mal wieder in meinem Plattenladen in Neukölln vorbeischauen. Ein bisschen in den Neuerscheinungskisten stöbern und hoffen, dass die Reiusses von „The Awakening“ des kürzlich verstorbenen Jazzpianisten Ahmad Jamal noch nicht ausverkauft sind. Gern plaudere ich auch mit Plattenhändler René, der mir im Laufe der Jahre schon viele tolle Alben und Singles empfohlen hat – treffsicherer als ein Algorithmus es jemals geschafft hätte.

Doch jetzt werde ich meinen Besuch bei Soultrade in der Sanderstraße wohl nochmal verschieben, denn mir ist aufgefallen, dass am Samstag wieder der Record Store Day (RSD) stattfindet. Und da geht es mir einfach viel zu wuselig und aufgeregt zu. Dabei begrüße ich die 2007 in den USA entstandene Idee dieses Tages ausdrücklich: Mit exklusiv für den RSD produzierten und nur an diesem Tag verkauften Vinyl-Sonderausgaben wollten die Macher*innen wieder mehr Publikum in unabhängige Plattenläden locken.

Das klappt mittlerweile fast zu gut, denn es kommen auch viele Menschen in die Läden, die vor allem an der Ware Vinyl interessiert sind und weniger an der Musik selbst. Nicht selten geht es ihnen nur darum, Raritäten abzugreifen und diese im Netz teurer weiterzuverkaufen.

Dieses Jahr gibt es beispielsweise eine kolorierte Doppel-LP der britischen Band The 1975, die ihr zweites Studioalbum „I Like It When You Sleep, for You Are So Beautiful yet So Unaware of It“ für den RSD mit dem BBC Philharmonic Orchestra neu eingespielt hat. Björk ist mit der 12-Inch „The Fossora Remixes“ dabei, und das gerade auf seiner Abschiedstour durch Deutschland reisende Hip-Hop-Trio Fettes Brot bringt sein Album „Am Wasser Gebaut“ noch einmal als spezielle Doppel-LP mit elf Bonussongs heraus.

Weltweit beteiligen sich mehr als 3000 Plattenläden am Record Store Day, in Berlin sind es in diesem Jahr zwölf, darunter Cortex Records, die beiden Dodo-Beach-Filialen, Dussmann und eben Soultrade. Die Liste der RSD-Platten ist lang und genreübergreifend. Gerade sehe ich, dass sich darauf auch die Neuauflage des Debüts von London Grammar als schwarz-goldenem Vinyl befindet. Die reizt mich ja schon. Ich habe „I You Wait“, das vor zehn Jahren erschienen ist, nur als CD. Ob ich vielleicht doch mal kurz bei Soultrade vorbeigehe?

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