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Der Mann an der (Foto-)Kamera im Pantheon in Rom ist Gennaro Sangiuliano, seit Oktober 2022  Italiens Kulturminister.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com/Roberto Monaldo

Regierung Meloni besetzt die Kultur: Italiens Rechte will auch Kino machen

Per Handstreich unterwirft sich Rom nun auch eine wichtige Film-Ausbildungsstätte. Kulturminister Sangiuliano folgt den Spuren vieler Regierungen vor ihm. Neu ist allerdings die Brutalität der Rechten.

Seit knapp 30 Tagen schon besetzen Roms Filmstudentinnen und -studenten ihre Schule, das „Centro sperimentale di Cinematografia“ in der Via Tuscolana 1520. Sie protestieren gegen einen Handstreich der Regierung.

Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause hatte die rechtsextreme Lega, Juniorpartnerin von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, noch einen Passus in ein sonst unverfängliches Dekret gefädelt, das der Autonomie und damit der Qualität des CSC, so die Meinung der Protestierenden, den Garaus machen wird: Die Regeln der Führung des Instituts wurden derart geändert, dass die aktuelle Leitung abtreten muss.

Binnen weniger Tage unterschrieben 600 Filmschaffende einen scharfen Protestbrief, darunter über Italiens Grenzen hinaus Berühmte wie die Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino und Gabriele Salvatores, die Regisseur:innen Nanni Moretti, Alba Rohrwacher und Francesca Comencini. Auch Wim Wenders setzte seinen Namen darunter.

Ausländerhatz auch auf Intendanten

Moretti, der am Samstag siebzig wird, empörte sich darüber, mit welcher „Gewalt und Ruppigkeit“ die Führung des CSC abgesetzt wurde, zu der nicht nur die Filmakademie gehört, sondern auch Italiens bedeutendstes Filmarchiv, die Cineteca Nazionale.

Die Stiftung hinter dem CSC führte bisher die 48-jährige Filmproduzentin Marta Donzelli, die nach Meinung von Branchenkennern gerade eine erfolgreiche Verjüngungskur im 1935 gegründeten Institut eingeleitet hatte. „So ist eben Italiens Rechte, ihre politische und journalistische Klasse“, ätzte Moretti – ein Seitenhieb auf den amtierenden Kulturminister Gennaro Sangiuliano, einen Parteifreund Melonis und gelernten Journalisten.

Sangiuliano hat sich ganz dem Programm der regierenden Rechtskoalition verschrieben, die Hegemonie Linker und Liberaler im Kulturleben zu brechen. Dafür muss Qualität schon mal hintanstehen, und die Methoden sind nicht immer fein. Vor Monaten musste Stéphane Lissner seinen Posten als Intendant von Italiens ältester Opernbühne, dem Teatro San Carlo in Neapel, aufgeben.

„Die Erzählung ist wichtiger als Wirtschaft“

Die Regierung brauchte einen standesgemäßen Posten für den ausgemusterten Chef der öffentlichen Sendeanstalt Rai, dessen Sessel für einen Gefolgsmann freiwerden sollte. Um Lissner vor Laufzeitende seines Vertrags loszuwerden, erfand man kurzerhand eine Altersgrenze von 70 Jahren – die allerdings nur für ausländische Topleute in der Kultur gelten sollte. Der Franzose Lissner war soeben 70 geworden.

Die Regierung ist besessen von der Idee, die Geschichte umzuschreiben.

Antonio Polito, im „Corriere della sera“

Das Muster ist jetzt auch beim neuesten Coup erkennbar: Die Regierung wartet nicht aufs Vertragsende, sondern wirft auch die Führung des CSC zwei Jahre früher raus. Die Eile erschreckt bis ins konservative Lager hinein.

Die neuen Mächtigen seien „besessen von der Idee, die Geschichte umzuschreiben und alle angeblichen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit jetzt auszugleichen“, notierte Antonio Polito in einem Kommentar des „Corriere della sera“. „Als wäre eine neue ‘Erzählung’ sogar wichtiger als die Wirtschaft. Und als könne man sich dabei allein auf die verlassen, die in vergangenen Jahren dieselbe Geschichte geteilt haben.“

Kein Personal für die Wende nach rechts

Wobei der respektlose Umgang mit Verträgen im Falle von Minister Sangiuliano auch mit dessen persönlichem Ehrgeiz zu tun haben könnte: Dem Mann aus Neapel sagt man nach, dass er sich demnächst um den Ministerpräsidentenposten der Region Kampanien bewerben will. Da kann eine treue, weil gut versorgte Klientel nicht schaden.

Und womöglich ist es vor allem die Ruppigkeit, nicht die Substanz, die die amtierende Regierung von früheren unterscheidet. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel weist ein Verbandsfunktionär der Filmbranche, der ungenannt bleiben möchte, darauf hin, dass schon unter Berlusconi stramme Parteisoldaten an die Spitze des CSC kamen.

Auch die Linke sei nicht zimperlich gewesen, „wenn auch nicht vor Ende der jeweiligen Amtszeiten“. DieAngst gehe jetzt vor allem deswegen um, weil man nicht wisse, wer am Zentrum auf die aktuelle kompetente Führung folge. Es stimme, Italiens Kultur sei links. „Aber die Rechten haben auch einfach niemanden.“

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