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Bild von Rita Preuss

© Abbildung: Rita Preuss

Rita Preuss im Willy-Brandt-Haus: Packende Großformate

Die Realität als Stichwortgeber: Rita Preuss taucht die Wirklichkeit in kühne Farbkompositionen. Die 90-jährige glänzt mit selbstbewusster Bildsprache.

Wie sie diese Kommode gemalt hat! Zentral ins Bild gesetzt, voll im Licht, warme Brauntöne. Intarsien und Beschläge im Detail, aber an den Rändern nicht mal richtig ausgemalt. Dahinter eine grüne Wand, davor ein gemusterter Teppich. Freilich stimmt die Perspektive nicht, und es hapert an der Symmetrie. Ja, die Berliner Malerin Rita Preuss weiß die Ordnung zu stören. Das hat sie sich in ihrer langen Malerkarriere erarbeitet: Realität betrachten, loslassen und im Bild neu erfinden.

Ende Oktober ist Rita Preuss 90 Jahre alt geworden. Das Willy-Brandt-Haus widmet ihr, die seit ihrer Kindheit in Charlottenburg wohnt, die Ausstellung „Berlin ist meine Mitte“. Die Gemälde sind thematisch geordnet: Interieurs, Selbstporträts, Menschen im Kiez, Reisebilder, Berliner Stadtansichten und Stillleben. Zu viele Stillleben auf den ersten Blick, und doch – diese Arrangements des Alltäglichen sind für Preuss’ Werk wesentlich.

Preuss gehört zu den ersten Kunststudenten, die nach dem Krieg 1946 wieder an der Berliner Hochschule für die Bildenden Künste immatrikuliert werden. Sie studiert bei Maximilian Debus, Ernst Fritsch und Willy Robert Huth. Letzterer soll von seinen Studenten jeden Tag ein Stillleben gefordert haben, was Preuss fast verzweifeln ließ. Eine dieser Fingerübungen, aus Gerümpel komponiert, fasziniert den Brücke-Maler Max Pechstein so sehr, dass er sie unbedingt in seiner Klasse haben will. So lernt sie die Reduktion der Form und – vor allem – die Steigerung der Farbe.

Rita Preuss malt Punks

Ihre selbstbewusste Bildsprache wird in Berlin durchaus geschätzt, im Jahr 2000 wird ihr der Hannah-Höch-Preis verliehen, Ruhm allerdings bleibt ihr verwehrt. Ihre Motive sind denkbar ungeeignet, um im von Männern beherrschten Kunstbetrieb zu punkten. Preuss malt die Sphäre des Weiblichen und Häuslichen. Möbel und die schnöden Inhalte des Küchenschranks dienen ihr als Basis für kühne, farbintensive Bildkompositionen. Was für ein Glück, diese Dinge einmal so betrachten zu dürfen! Aus den neunziger Jahren sind unter der Überschrift Kantstrasse 146, wo sie heute noch lebt, packende Großformate zu sehen. Preuss kommt damals selten aus dem Haus, weil sie ihren kranken Mann, einen Pelzhändler, pflegt. Sie malt, was ihr begegnet, auch Punks oder die Kreidefelsen auf Rügen, allerdings ist die Realität nur der Stichwortgeber für perfekt austarierte Bildkompositionen.

Stark ist das Spätwerk. In den Stadtlandschaften, die sie seit 2011 malt, spielt sie lustvoll mit Flächen und zahllosen Farbnuancen. Spreebogen, Pei-Bau, Alexanderplatz und die eingerüstete Gedächtniskirche gehören zu den besten Stücken der Ausstellung.

Bis 7. Dezember, Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstraße 140, Di–So 12–18 Uhr

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