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Die Polizistin Roberta (Aida Roa) steht hilflos zwischen Gesetz und Verbrechen.

© Visit Films / Mubi

„Robe of Gems“ auf Mubi: Drei Frauen gegen die Drogenkartelle

Natalia López Gallardos Debütfilm „Robe of Gems“ erzählt von einem ungewöhnlichen Matriarchat in einer männlichen Gesellschaft. Die mexikanische Regisseurin erhielt dafür einen Silbernen Bären.

Auf der Polizeistation geht es zu wie auf einem Marktplatz. Frauen und Männer stauen sich zwischen Aktenschränken und überladenen Schreibtischen, Beamt:innen blättern in Ordnern und nehmen Daten auf, dazwischen lümmeln ein paar Kinder gelangweilt auf dem Fußboden herum. Die Kamera schwebt ziellos durch den Raum, im Vorbeigehen streift sie eine Frau in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Ich werde dich suchen, bis ich dich finde“, schnappt Wörter auf wie Bluttest, Urkunde und Pass, außerdem zahllose Namen und Fetzen von Personenbeschreibungen.

In der so zerdehnten wie elliptischen Erzählung von „Robe of Gems“ beschreibt die Szene auf dem Revier einen Knotenpunkt. Die Katastrophe, die das Verschwinden von Kindern, Geschwistern und Eltern in den Netzen der mexikanischen Drogenkartelle für die Angehörigen bedeutet, findet dabei jedoch keinen dramatischen Ausdruck. Sie versickert in einer gleichmäßigen bürokratischen Betriebsamkeit.

Silberner Bär auf der Berlinale

In ihrem Regiedebüt „Robe of Gems“, 2022 auf der Berlinale mit dem Preis der Jury ausgezeichnet und nun auf Mubi zu sehen, unternimmt Natalia López Gallardo den ambitionierten Versuch, die herrschenden Narrative und Bildpolitiken des „Narco-Thriller“-Genres (Exotismus, Gewalt) zu unterlaufen. López Gallardo, eine erfahrene Editorin, die mit Amat Escalante, Lisandro Alonso und Carlos Reygadas zusammengearbeitet hat, verschiebt den Blick vom dramatischen Geschehen auf Nebenschauplätze, entzweit Vorder- und Hintergrund, Bild und Ton. Drei Frauenfiguren, durch Herkunft und Klasse getrennt und doch schicksalhaft miteinander verflochten, stehen im Zentrum.

Isabel (Nailea Norvind) ist gerade mit ihren Kindern in die abgelegene Villa ihrer verstorbenen Mutter gezogen. Ihre Ehe befindet sich in Auflösung, und auch das Haus ist marode, die Wände haben Risse, Regen tropft durch die Decke. Während sie mit Hilfe der früheren Hausangestellten María (Antonia Olivares) versucht, in einem Provisorium ein neues Zuhause zu errichten, verschwindet deren Schwester.

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Isabel möchte aktiv werden, stößt aber auf eine undurchdringliche Mauer. „Wir sehen die Dinge anders“, erklärt María abweisend. Tatsächlich hat auch sie sich aus Geldnot in kriminelle Machenschaften verstrickt, an denen Adán (Juan Daniel Garcia Treviño) beteiligt ist. Der großmäulige Teenager ist der Sohn der Polizistin Roberta (Aida Roa), die im Fall der Vermissten ermittelt. Roberta verzweifelt am Entgleiten ihres Sohnes, übernimmt im Auftrag ihrer Vorgesetzen aber selbst Drogenlieferungen. Ihr Kollege überlegt offen, ob er die Seiten wechseln soll.

Alle haben ihre Hände im Drogengeschäft

Die Erzählfäden werden in den eigenwilligen Perspektivwechseln und Bild-Ton-Verschiebungen eher zerschnitten, als dass sie sich zu einer Erzählung verknüpfen. Kamerabewegungen führen in dunkle Räume, Blicke bleiben an Scheiben und Vorhängen haften, die Atmosphäre ist diffus. Weinen die Kinder wegen der Trennung oder teilt sich ihnen etwas mit von der allgegenwärtigen Angst der Erwachsenen?

Die nächtliche Suche nach der Vermissten wird aus Sicht der Spürhunde gezeigt, die Kamera schnüffelt sich durchs Gras, Taschenlampen werfen nur kurze Spots auf die Szenerie. Auch sind Gespräche oft nur aus dem Off zu hören. Als María einmal auf ihrem Weg angehalten wird, fragt ihr Gegenüber von außerhalb des Bildes, ob denn alles in Ordnung sei. „Alles ist gut“, erwidert María, während ihr Tränen über die Wangen laufen. Was es bedeutet die Regeln zu missachten, müssen sowohl Isabel als auch Roberta schmerzhaft erfahren.

Mitunter strapaziert López Gallardo ihr Konzept etwas über – in nahezu jedes Bild ist der Wille nach Desorientierung eingeschrieben. „Robe of Gems“ zeigt dennoch eindringlich die psychischen Verhärtungen und Verwundungen, die entstehen, wenn man jederzeit damit zu rechnen hat, verscharrte Reste von Menschen zu finden.

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