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Gypsy Queen von New York. So heißt eine Doku über Sanda Weigl, die Rosa von Praunheim gedreht hat.

© Elmar Lemes

Hingehen: Sanda Weigl im Berliner Ensemble: Schimmernde Schwermut

Bukarest, Berlin, New York: die Sängerin Sanda Weigl ist in vielen Welten zu Hause. Jetzt stellt die Nichte von Helene Weigel ihren Weill-Abend "Lost in the Stars" in Berlin vor.

Jetzt bricht doch glatt ein kleiner Tumult im bisher brav und konzentriert lauschenden Publikum aus. Französisch? Nein, Englisch! Oder doch lieber Deutsch? Das Publikum ist uneins, in welcher Sprache Sanda Weigl die nächste Zugabe singen soll. Da mischt sich von hinten noch jemand ein. „Ein rumänisches Lied“, verlangt die Stimme. Das dürfte Herta Müller sein. Die Schriftstellerin verfügt außer über rumänische Wurzeln und einen Nobelpreis auch über ein durchdringendes Organ. Weigl und Müller haben vor ein paar Jahren ein Bühnenprogramm mit den Liedern der rumänischen Sängerin Maria Tanase bestritten, deren lyrische Texte Müller übersetzt und in ihrem Roman „Herztier“ verwandt hat. Weigl lächelt und stimmt prompt eine melancholische rumänische Volksweise an. Sie handelt vom verlorenen Glück. Schöner Schimmer der Schwermut.

Es ist Donnerstagabend im BKA-Theater in Kreuzberg. Und Herta Müller gehört – genau wie Schauspieler und Sänger Gustav-Peter Wöhler und Berlinale-Panorama-Chef Wieland Speck zum Premierenpublikum von Lost in the Stars – The Music of Kurt Weill, dem schönen Gesangsabend der 1948 in Bukarest geborenen Sängerin und Theaterregisseurin Sanda Weigl. Am heutigen Sonntagabend sind sie und ihre beiden kongenialen New Yorker Instrumentalisten, der Pianist Lucian Ban und der Jazzviolinist Mat Maneri damit noch einmal im Berliner Ensemble zu hören.

In der DDR wurde sie als Staatsfeindin verurteilt

Sie habe es zum ersten Mal im Alter von dreizehn Jahren mit Liedern von Kurt Weill zu tun bekommen, erzählt die verschmitzte Frau, die inzwischen seit mehr als 20 Jahren in den USA lebt und der Rosa von Praunheim die Filmdoku „Gypsy Queen von New York“ widmete. 1961 übersiedelte die Nichte von Helene Weigel mit ihren Eltern aus politischen Gründen von Bukarest nach Ost-Berlin und wächst im Haushalt der BE-Intendantin auf. „Ich habe ihr rumänische Zigeunerlieder vorgesungen, sie hat mir diese seltsamen Lieder aus ,Mahagonny‘ und der ,Dreigroschenoper‘ vorgespielt“, erzählt Sanda Weigl zwischen dem „Alabama-Song“ und ihrem souverän-relaxten „Mackie Messer“. Aus der DDR wiederum wurde die mit Thomas Brasch liierte Sängerin, der mit „Der Abend ist gekommen“ ein Nummer-eins-Hit gelang, Anfang der siebziger Jahre nach West-Berlin ausgebürgert, nachdem sie gegen den Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei protestiert hatte und wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt worden war.

Kein Wunder, dass die Grenzgängerin den von ihr musikalisch skizzierten Lebensstationen des französischen und amerikanischen Doppel-Exilanten Kurt Weill so empathisch nachspürt. Ihr melodiöser Alt gibt den Songs aus den Musicals „Lady in the Dark“ und „Lost in the Stars“ Raum und Tiefe. Dass sie schräg und witzig kann, zeigt die Diseuse, die sich auch auf das kernig gerollte „R“ einer Brecht-Weill-Interpretin versteht, im absurden „Klopslied“, dass Weill erstmals 1927 anlässlich einer Berliner Hochzeit aufführte. „Ick sitze hier und esse Klops, uff eenmal klopp’s“. Warmer Jubel, als Sanda Weigl den Klops als Zugabe bringt.

Sanda Weigl "Lost in the Stars - The Music of Kurt Weill", Berliner Ensemble, Probebühne, Sonntag 17.5., 19.30 Uhr

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