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Nur noch eine Berlinale werden Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian gemeinsam leiten. Was danach kommt, steht in den Sternen.

© picture alliance/dpa/Jens Kalaene

Schon wieder ein Neustart für die Berlinale?: Der Verband der deutschen Filmkritik fordert Umwälzungen

Nach dem Abgang von Dieter Kosslick wurden bei der Berlinale-Leitung Kunst und Geschäft getrennt. Wenn es nach den Filmkritikern geht, soll sich das und mehr nun wieder ändern.

Eine Kolumne von Claudia Reinhard

Es war vielleicht keine toxische, aber doch mindestens eine unglückliche Beziehung. Die Macht war ungleich verteilt, auch deshalb währte sie siebzehn Jahre – bis eine höhere Instanz intervenierte und den Verband der deutschen Filmkritik von dem Mann erlöste, der die hier organisierten Filmjournalisten jeden Winter aufs Neue in die Verzweiflung trieb. Die Rede ist von Dieter Kosslick, dem letzten Berlinale-Chef, der das Festival als künstlerischer Leiter und Geschäftsführer in Personalunion anführte.

Die Nachfolge startete vielversprechend. Das nicht nur von Verbandsmitgliedern seit langer Zeit artikulierte Verlangen nach einer Doppelspitze wurde erfüllt, in Form von Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin und Carlo Chatrian als künstlerischem Leiter. Dass jedoch auch diese Konstellation für die Kritiker letztlich unbefriedigend blieb, haben sie nun in einem neuen Schreiben deutlich gemacht. Darin wird unter anderem die angekündigte Straffung des Programms als Reaktion auf einen verordneten Sparzwang moniert. „Dass die programmliche und organisatorische Neuaufstellung der Berlinale nur mit budgetären Zwängen und nicht mit eigenem kreativen Engagement begründet wird“ hält der Verband für „besorgniserregend“ und plädiert: „Die Verantwortung für die wirtschaftlichen und die künstlerischen Bereiche muss zum Nutzen des Festivals zusammengeführt werden.“

Cannes als Vorbild

Als Vorbild werden ausgerechnet die Filmfestspiele in Cannes angeführt, wo Thierry Frémaux seit 1999 auf dem Posten des Geschäftsführers klebt und seit 2007 zusätzlich die künstlerische Leitung innehat. Ist der Wunsch nach einer erneuten Bündelung der Verantwortlichkeiten nachvollziehbar? Das hängt vor allem davon ab, ob man den Kritikern in ihrer Überzeugung zustimmen will, „dass jede künstlerische Entscheidung zugleich eine wirtschaftliche ist“.

Falls ja, sollte das dem Prinzip Doppelspitze trotzdem nicht im Wege stehen. Carlo Chatrian wäre als alleiniger Leiter nicht denkbar. Und auch Dieter Kosslick – oder zumindest seinem Publikum – hätten gleichberechtigte (Mit)streiter:innen sicherlich gutgetan. Für die Zukunft nun aber gleich zwei Menschen zu finden, die sich im Sinne der Kritiker sowohl ums Geschäft als auch um die Kunst kümmern können (ohne „Kompetenzgerangel und Verantwortungsdiffusion“) und dazu mit ausreichendem Vorlauf zum Ende von Mariette Rissenbeeks Amtszeit nach der Berlinale 2023 – es käme einem kleinen Wunder gleich. Aber mit der Hoffnung auf ein solches beginnt schließlich jede Beziehung.  

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