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Blick in die Messestände der Zonamaco in Mexiko City

© Sebastian Strenger

Sicht auf das Universum: Mit der Messe Zonamaco geht in Mexiko City nach der Pandemie ein Stern auf

Die Zonamaco ist eine der beiden zentralen Messen Lateinamerikas, ihr Publikum international. Deshalb denkt man hier über einen neuen Umgang mit der Kunst der Moderne nach.

Von Sebastian Strenger

Die Zonamaco in Mexico City zählt zu den wichtigen internationalen Kunstmessen und ist auf dem lateinamerikanischen Kontinent neben der SP-Arte im brasilianischen Sao Paulo auch diesmal mit rund 60.000 Besuchern zentrale Messeplattform für die zeitgenössische Kunst. Auf der 19. Ausgabe treffen sich 216 Aussteller aus 29 Ländern. Zum ersten Mal nach der Pandemie füllen sich die Straßen wieder mit Kurator:innen, Sammler:innen und Kunstinteressierten aus der ganzen Welt, die einen Zwischenstopp in der Neun-Millionen-Kapitale einlegen, bevor sie zur Frieze in Los Angeles weiterreisen. Design, Kunstfotografie, Antiquitäten und aktuelle Kunst: All das bieten die unter Zonamaco zusammengefassten Messen unter einem Dach im Centro Citibanamex.

Neben Australien sind Kanada, die USA, China sowie sämtliche Länder Südamerikas vertreten. Aus Berlin sind die Zilberman Gallery mit Geldschein-Kunst des Spaniers Carlos Aires , Dittrich & Schlechtriem mit der Künstlerin Katarina Janecková Walshe sowie die Galerie Nordenhake angereist. Letztere zeigt in ihrer Dependance in Mexiko City die großformatige und viel beachtete Installation „La nube“ (Die Wolke) des polnischen Bildhauers Miroslaw Balka. Aus Wien sind die Galerien Martin Janda sowie Christine König 2 präsent. Neu in diesem Jahr ist die Sektion „Süden“ mit einem Fokus auf Galerien, deren Künstler:innen den „Konzepten des Weiblichen, der Ermächtigung und der Wechselbeziehung in einem breiteren Spektrum in ihrer Produktion folgen“. Ein weiteres Thema zeigt die von Krystel Ann Art (Lissabon) präsentierte panamaische Künstlerin Giana De Dier auf, deren Collagen den Kampf der afrokaribischen Gemeinschaften angesichts rassistischer, religiöser und sprachlicher Ungleichheiten in ihrem Land spiegeln.

Ein neuer Umgang mit moderner Kunst

Andere Ziele verfolgt die Messe mit der Sektion „Ejes“, die auf hybride und transdisziplinäre Projekte mit jungen Galerien ausgerichtet ist, um Ideen im Umgang mit moderner Kunst bis 1960 mit historischen und zum Teil emblematischen Arbeiten zu entwickeln. Insgesamt scheint es ihr angesichts angereister Schwergewichte wie der Galerie Hauser & Wirth geglückt, solche Ambitionen mit exquisiter Handelsware von Klassikern wie Franz West bis zum kubanischen Künstler-Kollektiv Los Carpinteros zu verbinden. Es wird gut verkauft, und die neue mexikanische „Künstler-Kolonie“ in der ehemals kolonialen Stadt Merida nahe der karibischen Küste mit Stars wie Jorge Pardo und Marco A. Castillo profitiert davon ebenso wie der Estate des 2020 verstorbenen US-Künstlers James Brown.

Zahlreiche Ausstellungen der diesjährigen Zonamaco Art Week spannen einen Bogen quer durch die internationale Kunstwelt. Die Galería Karen Huber befindet sich im kunst- und designorientierten Viertel in der Colonia Juarez und widmet sich als einzige Galerie der Stadt ausschließlich zeitgenössischer Malerei. Derzeit mit einer Einzelausstellung des argentinischen Künstlers Miguel Angel Ríos, der in seinen Werken als Maler, Videokünstler und Kartograf koloniale Ideale seziert und die Kraft der indigenen Kunst als Gegenkraft betrachtet. Platzhirsch OMR befindet sich an einer der meistbesuchten Ecken der La Colonia Roma und zeigt Alicja Kwades Sicht auf das Universum. Ihre Installation „Silent Matter“ ist ein Kommentar zur Verdichtung der Zeit und der (versuchten) Erweiterung des menschlichen Verständnisses. Kwades „Sonnensysteme“ aus Obsidian und anderen lokalen Steinen baumeln von der Decke und bewegen sich auf subtile Weise in unregelmäßigen Bahnen. Für diese Serie ließ sich Kwade von Materialien inspirieren, die in Mexiko heimisch sind und war nach Angaben ihrer Galerie bestrebt, ein Werk mit geringem Kohlenstoff-Fußabdruck zu schaffen. So arbeitete die in Berlin lebende Bildhauerin mit lokalen Kunsthandwerkern zusammen. Sicherlich muss man die Flüge der Künstlerin jedoch rausrechnen, um in der nachhaltigen Darstellung in keine Schieflage zu kommen.

Die Galería RGR gedenkt des 100. Geburtstages des verstorbenen venezolanischen experimentellen Bildhauers Jesús Rafael Soto mit einer Einzelausstellung seiner kinetischen Werke. Unter dem Titel „The Instability of the Real“ werden Skulpturen aus fünf Jahrzehnten aus dem Nachlass des Künstlers gezeigt. Lago Algo ist eine Galerie mit dem Charakter eines Museums. Für die Zonamaco zeigt der Ort in einem Park eine Gruppenausstellung mit Arbeiten von Claudia Comte, Gabriel Rico und SUPERFLEX.

Zweites Galerie-Schwergewicht ist Kurimanzutto. Im trendigen Viertel von San Miguel Chapultepec präsentiert das architektonische Juwel von Alberto Kalach als Galerieort in „Modèle Vivant“ die Skulpturen des iranisch-deutschen Künstlers Nairy Baghramian, die sowohl mit sprachlichen Ideen aber auch traditioneller figurativer Malerei spielen. Besucher des Jumex Museums in Polanco erleben eine überschwängliche, unbeirrbare Ausstellung von Gemälden und Skulpturen der queeren Latinx-Künstlerin Lari Pittman. Erforschung, Hybridität, Transdisziplinarität, Identitäten, das Weibliche, der Körper, Bruch, das Intime und das Häusliche - der immer wiederkehrende Mix von Themen, die die mexikanische Szene bewegt und bald auch in Berlin. Warum? In ihrer September-Ausgabe plant der diesjährige Positions Berlin Art Fair als internationale Kunstmesse im Tempelhofer Flughafen mit Mexiko als Gastland. Dabei darf die Berlin Art Week sich auf einen bunten Mix mit rund zehn namhaften Galerien freuen. Ein Hauch von Mexiko City also in Berlin.

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