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Buch von Charles Dickens.

© dpa

Sommersouvenirs (1): Bücher: Ein Geheimnis bleibt

Mitbringsel aus dem Urlaub sind schön, selten, nützlich, überflüssig, trag- oder trinkbar. Rüdiger Schaper hat ein Faible für Bücher in fremden Sprachen. Teil 1 unserer Sommerserie.

Schals zum Beispiel. Eignen sich vorzüglich als Mitbringsel. Wiegen wenig und passen gut ins Gepäck. Leichte, bunte Schals für den Sommerabend, warmer Stoff für Herbst und Winter – das ideale Geschenk. Nur irgendwann haben alle Frauen und Männer, die man liebt und gern beschenkt, genug davon. Und zwischen den Souks von Marrakesch und Istanbul, wo auch immer, in Teheran oder Oman: überall die gleiche Ware. Indien beliefert den Weltmarkt. Pashmina wickelt alle ein.

Und weil ich inzwischen auch bestens betucht bin, bestelle ich lieber die kleinen Geschenke von der Reise, wenn die Kollegen und Kolleginnen jetzt ausschwärmen. Karelia-Zigaretten aus Griechenland (die gibt es hier nicht), Piment D’Espelette-Gewürz aus Südwestfrankreich und so weiter. Es sind Dinge, die man kennt und auf die man sich freut, die zugleich das Vertraute und das nicht Alltägliche bedeuten.

Das Thema unserer diesjährigen Sommerserie ist aber noch ein wenig anders. Es hat, kann man sagen, viele Facetten. Die ursprüngliche Frage, die mal beim Mittagessen aufgetaucht ist, hieß: Was bringt man sich selbst am liebsten mit? Das sind bekanntlich die schönsten Geschenke. Die man sich selbst aussucht. Da kann man nicht allzu viel falsch machen. Es gibt Gewohnheiten bei den Sommersouvenirs. Davon erzählen die kommenden Folgen.

Ein Strindberg aus Stockholm

Hier ist mein Spleen: Ich kaufe Bücher unterwegs. Bücher in Sprachen, die ich nicht verstehe. Bücher, deren Autor ich kenne, die ich aber nicht lesen kann. Strindberg etwa: Nach einem Besuch im Blauen Turm in Stockholm (so heißt sein Wohnhaus in der Innenstadt) fand ich in einem Antiquariat eine schöne Ausgabe von Erzählungen und Gedichten. Auf Schwedisch natürlich. August Strindberg war einmal der berühmteste schwedische Schriftsteller. Ein verrückter Visionär, Revolutionär des Theaters. Schrieb Traumspiele lange vor den Surrealisten.

Oder Fernando Pessoa: Von dem portugiesischen Dichter habe ich fast alles in der großen deutschsprachigen Ausgabe, die bei S. Fischer erscheint, aber auch einen Band Gedichte in der Originalsprache. Gekauft vor vielleicht zwanzig Jahren in einer kleinen Buchhandlung auf Madeira. Das Buch steht im Regal, immer noch in der Geschenkverpackung. Tiefblaues Papier, passend zu Pessoas maritimen Fantasien. Es steht gleichsam anonym zwischen den anderen Pessoas, und ich weiß auch nicht mehr so genau, nach all der Zeit, was für ein Buch das eigentlich ist. Auf jeden Fall ein nachhaltiges Souvenir.

Konstantin Kavafis im Original

Nächstes Beispiel: Jerofejew. Wenedikt Jerofejew. Ein russischer Dichter, der 1990 gestorben ist. Berühmt auch hierzulande und gut übersetzt seine „Reise nach Petuschki“, ein Underground-Buch. Die Geschichte einer Zugfahrt, in der sich russische Geschichte fokussiert, natürlich alkoholisch. Das habe ich mal in Moskau auf der Straße erworben, russische Ausgabe selbstverständlich, sieht aus wie ein Raubdruck. Billiger grüner Umschlag, kyrillische Buchstaben über einem Plan des Schienennetzes im Großraum Moskau. Jerofejews Vater arbeitete bei der Bahn, und von Moskau nach Petuschki ist es nicht weit, ein paar Stunden, keine Entfernung für russische Verhältnisse – eine Lebensreise im Wodkatunnel.

Und natürlich Kavafis, der große griechische Dichter au Alexandria. Konstantin Kavafis im Original. Sieht so schön und lyrisch aus, dass man die Verse zu hören glaubt. Aber auch etwas geschummelt: Es ist eine zweisprachige Ausgabe, Griechisch-Englisch. Was man mit solchen Büchern anfängt? Mit den erotischen Drucken aus dem Buchladen in Tokio? Man nimmt sie gelegentlich in die Hand, erinnert sich, und ein Geheimnis bleibt. Kann man mehr verlangen?

Für unsere zweite Sommerserie bleiben wir dieses Jahr in Berlin und entdecken "Berliner Höfe".

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