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Leiko Ikemuras erste Ausstellung in der Galerie CFA Berlin.

© Courtesy Contemporary Fine Arts. Foto: Nick Ash

Sturzflug ins Farbgewitter: Leiko Ikemura in der Galerie CFA

Die Künstlerin Leiko Ikemura kratzt in der Ausstellung „Momsters“ am Bild der gütigen Mutter. Zu sehen sind Arbeiten ab den achtziger Jahren bis heute.

Von Lisa Maria Scharf

Alles Leben beginnt im Mutterleib. Wir gedeihen im Schoß einer Frau und erblicken durch sie das Licht der Welt. Das Bild der Mutter ist allgegenwärtig und suggeriert Wärme. Um so härter wirken in der Galerie Contemporary Fine Arts die kalten, schwarzen Wände des Ausstellungsraums, in dem sich solche Mütter versammeln.

Fernab jeder Geborgenheit vermitteln sie den Eindruck, sich unseren Blicken entziehen zu wollen. Die grellen Hintergründe der Bilder lodern wie Feuer und drohen sie zu verschlingen. Die Wände wiederum erinnern an den schwarzen Regen Hiroshimas. 

Leiko Ikemura wurde 1951 in der japanischen Kleinstadt Tsu geboren. Geprägt von der Nachkriegszeit und der nuklearen Bombardierung Hiroshimas und Nagasaki, verbrachte sie ihre Kindheit in einem vom Krieg gezeichneten Land. Wenig überraschend geistert ihre „Blue Mom“ durch das giftige Gelb, wiegt eine blaue Katze und verschwimmt im Geschehen.

Ihre Frauen brechen mit der Norm der weichen Mutter. Die weiblichen Protagonisten sind scheu, zerzaust und fressen im Fall ihrer „Goyesca“ sogar die Nachkommen. Ikemura lässt in diesen Werken Farbvariationen ineinander verlaufen und kreuzt abstrakte und figurative Darstellung. 

Verzerrte Mütterbilder: Leiko Ikemuras jüngste Gemälde.
Verzerrte Mütterbilder: Leiko Ikemuras jüngste Gemälde.

© Leiko Ikemura. Courtesy Contemporary Fine Arts. Foto: Jörg von Bruchhausen

Für Ikemura gehört die Auseinandersetzung mit obskurer Weiblichkeit zum Programm. Erst im vergangenen Jahr standen ihre „Witty Witches“ im Georg Kolbe Museum und zeigten, welche Abgründe sich hinter einer eher freundlich aussehenden skulpturalen Arbeit verstecken können. Von Hexen zu Müttern und von Müttern zu Monstern, mit dem Titel „Momsters“ beschreibt Ikemura die Mutation, in der sich die liebevolle Mutter als groteskes Monster entpuppt.

Fernab von Güte und Liebe kennen diese Mütter nur Verlust. In den Räumen der CFA bietet man ihnen die passende Rückzugsmöglichkeit, um im Strudel des Leids zu verschwinden. Ikemura arbeitet aus dem Gedanken heraus, dass die Beobachtung der Natur über Schatten und Schwingungen oft nicht hinausgeht. Die Verarbeitung des alltäglichen Geschehens birgt die Monster unserer Träume.

Ikemuras Schaffen wurde beeinflusst durch spanische Künstler wie Goya oder Picasso, das lässt sich besonders in den neueren Werken erkennen. Ihre matten Texturen entstehen durch Eitemperafarben, die Mütter wirken, als wäre ihnen ein Geist begegnet. Man trifft ihn im Obergeschoss der Galerie auf Arbeiten aus den 1980er Jahren: Im Fokus stehen übernatürliche japanische Fabelwesen, die „Yōkais“.

„Yōkais“ können als Hybrid von Mensch und Tier verstanden werden. In der japanischen Mythologie treiben sie ihren Spuk und Schabernack. Leiko Ikemura erinnert sich an diese Erzählungen und visualisiert die Schrecken der Fantasie inmitten von realem Elend. Schlangenartige Kreaturen existieren parallel zu einem Flugzeugabsturz.

Ein Tier, wie einem Horror-Film entsprungen

Man stößt auf den Yōkai „Untitled (Spider)“. Das Tier könnte einem Horror-Film entsprungen sein und blickt uns mit seinen fünf Gesichtern böse an. Unmittelbar erinnert man sich an die Spinnen-Skulpturen der Künstlerin Louise Bourgeois: Während sie in Werken wie „Maman“ Gefahr und Geborgenheit aufruft, geht das Wesen bei Ikemura direkt in den Angriff über.

Inmitten von Müttern und Monstern kauert ihr „Rocket Girl“ allein in der Ecke des schwarzen Ausstellungsraums. Die in Wachs gegossene Skulptur winkelt die Beine eng an und senkt den Kopf. Das Loch am Kopf erlaubt einen Blick in die Leere, auf ihrem Rücken trägt sie eine Rakete. Im Dunkeln zurückgelassen, löst „Rocket Girl“ diverse Gefühle aus. Man möchte es umarmen, und vielleicht ist das der Mutterinstinkt. 

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