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Die Sängerin Susan Zarrabi.

© Boulez Saal

Susan Zarrabi bei der Schubert-Woche: Die Heilige und die Hure

Mezzosopranistin Susan Zarrabi erkundet bei ihrem ersten Solo-Liederabend im Boulez Saal die Facetten von Weiblichkeit. Der tiefenentspannte Gerold Huber begleitet sie.

„Frauenliebe und -leben“ könnte man diesen Liederabend von Susan Zarrabi und Gerold Huber nennen – obwohl von Schumann gar nichts erklingt. Dafür gefühlt von (fast) allen anderen: Carl Loewe, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Hugo Wolf, Johannes Brahms, Richard Strauss, Kurt Weill. Und Franz Schubert, natürlich, denn es ist wieder Schubert-Woche im Boulez Saal.

Schuberts unvergleichliche Kunst

Sänger-Kurator Thomas Hampson, der diese Woche selbst am Montag mit einem Liederabend eröffnet hat, steckt den Rahmen inzwischen sehr weit ab, bis ins 20. Jahrhundert. Es geht dabei auch um die Frage, welche Spuren Schuberts unvergleichliche Kunst, die ausgesprochene oder unausgesprochene Essenz eines Gedichts sofort zu erfassen und eine Entsprechung in Tönen zu finden, bei anderen Komponisten hinterlassen hat. 

Susan Zarrabi will mit ihrem Programm verschiedene Facetten von Weiblichkeit umkreisen, die Protagonistinnen der Lieder heißen Therese, Daphne oder Nanna. Immerhin eine Komponistin, Emilie Mayer, ist auch vertreten. Mit ihrem breit funkelnden, jedoch niemals behäbig dahinströmenden Mezzosopran nimmt die Münchnerin sofort für sich ein, und sie singt so klar und unerhört textverständlich, das man aufs Mitlesen quasi völlig verzichten kann.

Zarrabi war schon mehrmals bei der Schubert-Woche im Rahmen von Young-Singers-Konzerten dabei, dies ist ihr erster Soloabend. Pianist Gerold Huber begleitet mit jahrzehntelanger Erfahrung und Gelassenheit, hat völlig verinnerlicht, wann er sich zurückhält, die diskrete musikalische Basis bietet – und wann er kräftig aufspielt, etwa in der Einleitung zu „Die junge Nonne“, deren stürmische Glaubenserregung Schubert mit Tremolos im Klavier einfängt.  

Höhepunkt, programmatisch wie musikalisch, ist der einzige wirklich bekannte Hit des Abends, Schuberts „Ave Maria“, das eigentlich den komplizierten Titel „Ellens Gesang III, Hymne an die Jungfrau“ trägt und dessen Kernmotiv die große Terz von b auf d, auf das punktierte „i“ von „Maria“ ist. Zarrabi hebt die Stimme mühelos nach oben, gleitet geschmeidig durch die Lagen, doch zum Höhepunkt werden diese Augenblicke durch das, was sie unmittelbar danach singt: „Meine Herren, mit siebzehn Jahren kam ich auf den Liebesmarkt“ – „Nannas Lied“ von Kurt Weil, dessen langgestrecktes „e“ in „Schnee vom vergangenen Jahr“ als Pendant zu Schuberts „i“ wirkt. So spiegelt Zarrabi mal eben mit zwei Liedern das typische Klischee, das Männer seit jeher von der Frau haben, als Heilige und Hure. Reproduziert sie es damit auch? Darüber kann man nachdenken. 

Weill erklingt mehrmals in diesem Konzert, Zarrabi fühlt sich in dessen Musik hörbar wohl, wie übrigens auch in der von Friedrich Hollaender, der eine Hommage an eine Kleptomanin komponiert hat („Denn ich stahl ohne Wahl, ganz egal“). In diesen finalen Liedern des Abends leiht sie nicht nur dem Text ihre Stimme, sondern schlüpft auch wirklich in die Rollen, geht darstellerisch in die Vollen. Kein Wunder, seit Beginn dieser Spielzeit ist sie sie auch Ensemblemitglied um die Ecke, an der Komischen Oper Berlin, wo sie unter anderem am 17. März als Dorabella in Mozarts „Così fan tutte“ oder im Mai als Arsamene in Händels „Xerxes“ auftritt.  Man darf sich drauf freuen. 

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